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Luftfahrt (Chronik und Geschichte) - Zeitschrift Flugsport Heft 23/1909

Diese Internetseite umfaßt ein Digitalisat der Zeitschrift Flugsport, Ausgabe Heft 23/1909. Dieses digitalisierte Zeitschriftenheft umfaßt alles Wesentliche über den zivilen Luftverkehr (Flugsport, Flugwesen und Luftsport) sowie über die militärische Luftfahrt (Luftwaffe im Inland und Ausland). Die Digitalisate der Originalzeitschrift stehen auch als PDF Dokument zum Herunterladen zur Verfügung. Eine Übersicht aller Hefte von 1909 bis 1944 steht auf der Seite Archiv Zeitschrift Flugsport zur Verfügung.


Flugsport

Jllustrierte technische Zeitschrift und Anzeiger

für die gesamte

„Flußschiffahrt"

(L' Aviation)

Le seul organe allemand traitant particulierement les interets de l'Aviation

unter Mitwirkung bedeutender Fachmänner herausgegeben von Oskar Ursinus, Civilingrenieur.

Brief-Adr.: Redaktion und Verlag „Flugsport" Frankfurt a. M., Bahnhofsplatz S. Repräsentant pour la France: E. Raphael, Paris, Rue du Faubourg Poissonniere 62. Erscheint regelmäßig am 1. und 3. Freitag jeden Monats.

: Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. =

Abonnement: Bei portofreier Zusendung unter Kreuzband Mk. 14.—. Durch Postbezug Mk. 12.— pro Jahr.

Der Nachdruck unserer Artikel ist, soweit nicht mit „Nachdruck verboten" versehen, nur mit genauer Quellenangabe gestattet.

Nr. 23. Frankfurt a. M., 5. September 1909. Jahrg. I.

In eigener Sache.

In letzter Zeit haben mehrfach Zeitungen, sogar solche, welche sich zu den besseren Fachzeitungen zählen, unserer Zeitschrift Abbildungen und Artikel ohne jegliche Quellenangabe entnommen. Wir machen darauf aufmerksam, daß wir in Zukunft derartigen unberechtigten Nachdruck mit den uns zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln ohne Rücksichtnahme aufs schärfste verfolgen.

Wir hoffen, das diese Zeilen dazu beitragen, daß in Zukunft diese Manipulationen unterbleiben.

Redaktion des „Flugsport".

Wie Ingenieur Grade den Lanzpreis gewann?

Nachdem der unsern Lesern bekannte Flugingenieur Grade aus Magdeburg auf dem Flugfelde Mars bei Bork, seine bisherige Uebungsstätte, vorzüglich gelungene Flüge ausgeführt hat, hat er am 30. Oktober auf dem Flugplatz Johannisthal den Lanzpreis gewonnen.

Es war ein feierlicher Moment, als Grade seinen Flieger aus der Halle herausbrachte und bestieg. Die in flugtechnischen

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„FLUGS PO RT".

No. 23

Kreisen bekannten Persönlichkeiten Dr. Huth, Dorner, Schmal, Beauclaire, Hauptmann von Krogh, Major von Parseval und Grades liebenswürdiger Bruder, Oberleutnant Grade, waren zugegen. Vor dem Start wurde zunächst durch die Sportkommission, bestehend aus Geheimrat Busley, Professor Süring, Krause und Krell die Flugmaschine geprüft, ob sie den Bedingungen des Lanzpreises entspreche.

Nachdem die Prüfung, der auch der Stifter des Preises Dr.-lng. Karl Lanz beiwohnte, ergeben hatte, daß alle Teile des Apparates aus deutschem Material hergestellt sind, schritt Grade zum Start. Schon nach kurzem Anlauf überflog Grade die 100-Meter-Startlinie in etwa 3 Meter Höhe, erhob sich bis zu 10 Meter und

Flugzeuge und Luftfahrt im Deutschen Kaiserreich sowie Fliegerclubs und Luftsportvereine im Jahr 1909

steuerte auf den ersten Wendepfahl los, den er in schönen Bogen umkreiste. Die Windgeschwindigkeit betrug 8 m. Nachdem auch der zweite Wendepfosten glatt umflogen war, im entgegengesetzten Drehungssinn zum ersten, flog Grade durch das Ziel. Er beschrieb noch eine große Schleife und landete dann fast vor der Tür seines Schuppens. Jubelnd umdrängten ihn seine Kameraden vom Verein Deutscher Flugtechniker und schmückten den glücklichen

Gewinner des Lanzpreises unter stürmischem Beifall mit einem riesigen Lorbeerkranz.

Die reine Zeit für den Lanzpreis betrug 2 Minuten 43 Sek., die Gesamtzeit 4 Min. 4 Sek, Der Apparat wurde in den Schuppen gebracht, wohin sich auch der Stifter des Preises, die Sport-kommissiön und Grade begaben. Nachdem die Sportkommission die Erklärung abgegeben hatte, daß die vorgeschriebenen Bedingungen des Preises erfüllt seien, überreichte Dr. Lanz mit einigen herzlichen Worten dem erfolgreichen Flugtechniker einen Scheck über 40 000 M. Damit war der wertvolle Preis endgültig gewonnen.

Grade machte später noch 2 Aufstiege von 5 Min. 29 Sek. und 6 Min. 52 Sek., die beide sehr schön verliefen. Grade bewies

Flugzeuge und Luftfahrt im Deutschen Kaiserreich sowie Fliegerclubs und Luftsportvereine im Jahr 1909

Ing. Grade in seinem Flieger vor dem Start.

durch niedere und hohe Flüge, bis zu 30 Meter Höhe, durch Schleifen und ganz enge Kurven, von neuem, die große Stabilität und leichte Lenkbarkeit seines Apparates und seine hohe Meisterschaft in der Beherrschung seines Eindeckers. Brausende Zurufe aus vielen tausend Kehlen begrüßten den Deutschen bei seinen Landungen und seinen Flugvorführungen. Grade hat den Preis redlich verdient.

Am 31. Oktober hat Grade auf Johannisthal noch weitere interessante Flüge ausgeführt. Er umfuhr zweimal die Lanzpreis-Strecke und machte eine Wendung quer über das Flugfeld, um direkt vor seinem Schuppen nach 7 Minuten Flugdauer zu landen.

Das zweite mal flog er zunächst in einer Höhe von etwa 15 m sehr schnell zwei Runden, dann stieg er bis zu 30, 40, schließlich ungefähr 50 Meter Höhe, um gleich darauf kaum 1 Meter über dem Boden dahinzukriechen. Er wendete sehr kurz, flog in entgegengesetzter Richtung über das Feld und landete vor den Tribünen ganz sanft und glatt nach 13 Minuten, als sein Motor etwas heiß geworden war. Er ließ ihn abkühlen und startete dann ohne jede fremde Hilfe vom Neck weg, um in einem 3 V» Minuten währenden schönen Fluge in mittlerer Höhe noch einige Schleifen zu beschreiben. Stürmischer Beifall belohnte diese schönen Leistungen. Doch Grade gab sich noch immer nicht zufrieden. Eine Viertelstunde später startete er abermals — es war schon ziemlich dunkel geworden — und flog noch ca. 3 Minuten.

Noch am gleichen Abend wurde der Apparat demontiert, um seine Reise nach Hamburg anzutreten.

Pariser Brief.

Von unserem Pariser Korrespondenten.

Jetzt sind wir heimgekehrt, reich mit Ruhm beschwert, nahmen mit, was des Mitnehmens irgend „Wert", singt der Schweinezüchter Szupän im „Zigeunerbaron". Auch die französischen Aviatiker stellen sich nacheinander wieder in der Heimat ein, wo die Propheten bekanntlich nicht soviel gelten, wie im Auslande. Aus Doncaster, aus Blackpool, aus Antwerpen, aus Johannisthal, aus Frankfurt sind sie, mit Ruhm, Gold und ihren Flugapparaten zurückgekehrt, sofern sie nicht, wie Latham in Blackpool, einen zahlungsfähigen Abnehmer für ihren Aeroplan gefunden haben". Nur Bleriot, der Vielbegehrte, weilt noch in der Fremde. Er fährt seinen Ruhm spazieren und macht eine wirksame Reklame iür seine Eindecker. Und während er in Bukarest auf Ersatz für seinen explodierten Motor wartet, geht daheim das Geschäft weiter. Dieser Tage hat sogar der bekannte amerikanische Millionär Wannemaker einen Bleriotschen Eindecker von der Kanaltype in Auftrag gegeben.

Zu dem Franzosen Legagneux, der immer noch bemüht ist, in der Sommerresidenz des Zaren, in Gatschina, den Russen etwas vorzufliegen, hat sich nun auch-Guyot gesellt, der, nachdem er sich in Toufy vergeblich abgequält hat, gleichfalls nach Rußland gegangen ist, woselbst er, wie es heißt, in Petersburg, Moskau, Odessa usw. je eine Woche lang „Aeroplan-Vorführungen" veranstalten soll. Ob dabei auch geflogen werden wird, ist noch nicht gewiß.

Natürlich beginnt in den einzelnen Fluglagern in Frankreich jetzt ein regeres Leben. In lssy-les-Moulineaux lassen sich andauernd neue Kräfte als Piloten anwerben, wie z. B. Speckner, Taurin und Crahay, die sämtlich Bleriotsche Eindecker steuern oder zu steuern versuchen. Auch Jan Olieslagers, der ehemalige

Meister des Motorrads, beginnt, sich in der Handhabung eines Monoplans unterweisen zu lassen. Außerdem sieht man in lssy den neuen Voisin-Zweidecker, von Gabriel Voisin selbst gesteuert, sowie die Apparate von Vendöme und Clement-Bayard. Von all den lernenden Aviatern scheint Verheyen der bekannte Frankfurter Sportsmann der mit seiner Bleriotmaschine Flüge bis 1500 m ausgeführt hat, sich am besten mit der Maschine zurechtzufinden. Das mit so großem Pomp angekündigte „Meeting von lssy" ist ad calendas graecas vertagt worden.

An dessen Stelle sind wieder eine ganze Reihe neuer Meetings geplant, von denen aber wohl nur wenige wirklich zu Stande kommen werden Nur das bevorstehende Meeting von Nizza hat

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Baronin'de Laroche. Franz Verheyen.

dadurch ein anders Relief erhalten, daß der Aero-Club de France das Protektorat dieser Veranstaltung übernommen hat. Uebrigens hat der Aero-Club in Uebereinstimmung mit der „Föderation Aeronautique Internationale" den sehr verständigen Beschluß gefaßt, daß vom 1. Januar 1910 ab in allen vom Aero-Club und den ihm nahestehenden Vereinigungen veranstalteten Bewerben, sowohl für Aviation als auch für Lenkluftschiffahrt, nur solche Piloten starten können, welche von dem genannten Club das Pilotenpatent erworben haben. Für die Erteilung des Patents macht der Aeroklub folgende Leistung zur Bedingung: Drei Flüge im Kreise von mindestens je 1 km ohne Kontakt mit dem Boden. ~Diese drei Flüge sind an drei verschiedenen Tagen und inneflTaTb des Zeitraums von dreißig Tagen auszuführen. Damit wird wenigstens gewissermaßen eine Garantie geboten werden, daß in Zukunft nur Leute an den Start kommen, die wirklich wissen, wie man einen Apparat steuert. Glücklicherweise hat der Beschluß keine rückwirkende Kraft; er würde sonst unter den „Piloten" hier eine fürchterliche Musterung halten . .

Gestern hat das Meeting von Saint Etienne recht vielver-heißend begonnen. Nachdem das zahlreich zusammengeströmte Publikum stundenlang vergeblich auf eine Flugvorführung gewartet hatte, verlor es die Geduld und drohte, die Barrieren einzureißen

und die Hallen zu stürmen. Um die Aufregung der Massen zu beschwichtigen, bestieg der junge Gobron seinen Zweidecker. Aber er vermochte sich nicht vom Boden zu erheben, sodaß er den Apparat wieder nach der Halle zurückdirigierte. In der Erregung über das unbeschreibliche Toben der Menge hatte Gobron zu spät seine Zündung abgestellt, sodaß der Apparat im Anprall gegen eine Wand starke Beschädigungen erlitt. Da man für die folgenden Tage seitens des enttäuschten Publibums große Ausschreitungen befürchtet, ist Militär requiriert worden.

In Mourmelon-le-Grand experimentiert wieder Henri Farman, sowie die Voisin-Schüler Beilot, Metrot, Powels und de Baeder. Auch der Herzog von Westminster nimmt im Lager vonChalons Unterricht in der Steuerung eines Voisinzweideckers und hat bereits kurze Flüge ausgeführt. Am interessantesten war aber der in dieser Woche erfolgte erste selbständige Aufstieg einer Dame im Aeroplan: Die Baronin Raymonde de Laroche bestieg einen Voisin-Zweidecker und steuerte diesen sicher über eine Distanz von 300 Metern. Die genannte Dame, die in der französischen Sportswelt als eifrige Automobilistin bekannt ist, will sich jetzt ernstlich dem Flugsport widmen. Das eröffnet ja recht lustige Perspektiven. So ein Stelldichein 400 m über der Erde muß seinen eignen Reiz haben ....

Port Aviation, dessen ruhmloses Meeting, wie an anderer Stelle berichtet, ein noch ruhmloseres Ende fand, wird es wohl nötig haben, sich zunächst einmal von den „glänzenden sportlichen und materiellen Erfolgen", von denen eine dankbare Presse zu melden wußte, zu erholen. Es wird da allerlei gemunkelt, doch weiß man nichts bestimmtes

Während Henri Farman zu Blackpool seine Landsleute entzückte, führte seine Bruder Maurice ein schönes Bravourstück aus, indem er von Buc aus über La Miniere, Montigny und Chauteaufort einen Distanzflug von 75 km in 55 Minuten vollbrachte. Nun gedenkt er seinen lange geplanten Flug von Buc nach Chartres baldigst antreten zu können.

Einige neue Experimente verdienen Beachtung. In Poitiers hat ein von Perret & Chaffal konstruierter Zweidecker seinen ersten glücklichen Flugversuch bestanden. Leider wurde der Apparat beim Landen durch die Ungeschicklichkeit eines Zuschauers beschädigt.

In Laon wird demnächst der Eindecker des Herrn de Feure herauskommen. Der Apparat, der einen 50 PS Clerget-Motor hat, soll auf sehr hohe Geschwindigkeiten berechnet sein. Die Anordnung" von zwei Schrauben hinten am Apparat sichert dessen seitliche Stabilität, wodurch an der Breite der Tragfläche wesentlich gespart worden ist. Der Apparat hat ein angeblich neues Verkrümmungsvenahren.

Der Fabrikant Tellier, der bekannte Konstrukteur von Motor-Bootsrumpfen, hat für Dubonnet einen Eindecker gebaut, der gleichfalls in diesen Tagen einem ersten Versuch unterzogen werden soll. Der Apparat scheint nach den bekannt gewordenen Angaben sehr an Bleriot und zum Teil an Antoinette zu erinnern. Er hat nur 7,5 m Spannbreite, aber er ist sehr lang und hat eine schöne Sil-

houette. Seine Schraube wird durch einen ganz gewöhnlichen 25 PS Automobil-Motor angetrieben. Man sieht den Dubonnet-schen Experimenten mit Interesse entgegen.

Ein bekannter Pariser Industrieller, de Perdussin, der übrigens noch nie einen Aeroplan bestiegen hat, läßt durch die Presse verkünden, daß er demnächst seinen ersten aviatischen Versuch unternehmen und dabei — die Kathedrale seiner Heimatstadt Laon umsegeln und alsdann auf seinem Gut zu Chivres landen will. Der ahnungslose Engel . . .

Der Leutnant Battini vom 28 Infanterie-Regiment hat soeben mit den ersten Flugversuchen seines neuen Zweideckers begonnen. Die besonderen Charakteristiken dieses Apparats sind folgende: Spannbreite 8 m; Länge von Achse zu Achse 6,5 m. Die transversale Stabilität wird durch Schaufelflügel erreicht. Das Gewicht des Aeroplans in voller Ausrüstung beträgt 280 kg. Ein 20/24 PS-Motor treibt durch Uebersetzung eine Schraube von 1,80 m Durchmesser von geklebtem und stoffbezogenen Eichenholz. Bisher scheinen die Versuche befriedigende Resultate ergeben zu haben. Nachdem sich der Erfinder während einiger Tage damit begnügt hatte, den Apparat am Boden dahin rollen zu lassen, hat er nunmehr einen 80 m Flug in 2 m Höhe ausgeführt.

Der gegenwärtige Schauplatz der Zipfelschen Mißerfolge ist Lissabon. Der Mann soll sich nur in Acht nehmen; die Portugiesen sind ein heißblütiges Volk.

Der erste aviatische Salon, der soeben in Brüssel eröffnet worden ist, hat eigentümlicherweise eine recht schwache Beschickung erfahren; ein großer Teil der Stände im Palais du Cin-quantenaire, woselbst die Ausstellung installiert ist, steht fürs erste leer. Dafür hält der Graf Henri de la Vaulx belehrende Vorträge ....

Die hiesigen aviatischen Kreise verfolgen dagegen mit lebhaftestem Interesse einige andere Veranstaltungen, die geplant werden. Zunächst ist es der große internationale Aviationsbewerb, der im nächsten Jahre zu Mexico, gelegentlich der Hundertjahrfeier der Unabhängigkeit, veranstaltet werden soll. Als Flugfeld ist das dicht vor der City of Mexico gelegene Terrain des Hospizes „de los Ninos" bestimmt. Beträchtliche Preise sollen bestritten werden. Auch bei dieser Gelegenheit tauchen wieder die abenteuerlichsten Projekte auf. So soll z. B. ein Flug von Mexico nach Puebla, 238 km, und zurück geplant werden.

Alsdann wird hier sehr viel von dem Riesen-Aviations-Mee-ting Baltimore-Washington gesprochen. An der Spitze des Or-ganisationscomites steht hier der bekannte Multimillionär Walsh, der Präsident des Aero-Club von Washington. Der Garantiefonds hat eine Höhe von 150000 Dollars.

Daß der bekannte Sportsmann, der Cavaliere Fiorio, der Begründer der nach ihm benannten großen Automobilrennen zu Palermo, sich bei Voisin hier einen Zweidecker bestellt hat, dürfte weitere Kreise interessieren. Fiorio hat die Absicht, sich dem Flugsport zu widmen und späterhin die Ueberquerung der Meerenge von Messina im Aeroplan zu versuchen.

Die ersten Tage des Meetings von Antwerpen, das sich bekanntlich vom 25. Oktober bis 2. November erstreckt, verliefen

infolge des andauernden Regenwetters, das jeden Flugversuch unmöglich machte, recht belanglos. Erst am let/.ten Donnerstag gelang es Rougier, der einen Voisin-Zweidecker steuerte, einen Flug von 1 Stunde 16 Minuten auszuführen. Er legte dabei eine Distanz von 50,212 km zurück.

In der hiesigen Presse zeigt sich jetzt eine Bewegung, die in hohem Grade symptomatisch ist und die das von mir seit langem bekämpfte krankhafte Selbstbewußtsein mancher französischer Aviatiker nun auch ihrerseits geißelt. Wenn man sich der unglaublichen Verzückungen erinnert, mit denen die hiesige Sportspresse gerade jene Schmarotzer der Aviation großgezogen hat, der muß unwillkürlich an Zeichen und Wunder glauben, wenn er heute in dem „führenden" hiesigen Sportsblatt ließt:

„Die Aviatiker wachsen wie die Champignons aus der Erde und, wie auch die Champignons, sind sie nicht alle von guter Qualität. Dieses neue Metier, das seinen Mann reichlich ernährt, hat an manchen Stellen Hoffnungen reifen lassen, die nicht immer mit einem reinen Gewissen in Einklang stehen (?)."

Zum Schlüsse wendet sich das Blatt mit der Aufforderung an c'as Publikum, sich zum „Schutze gegen jene Abenteurer zusammen zu schließen." Aber geradezu köstlich ist die Charakteristik, die Miral von den heutigen Aviateuren gibt. Er schildert ihre übertriebenen Ansprüche, ihre Arbeitsunlust, ihre Unaufrich-tigkeit, ihre Rücksichtslosigkeit usw. Die Herren werden sich ja wohl unter einander kennen- Für mich ist es natürlich eine Genugtuung, von dieser Seite her so unerwartet Bundesgenossen in der Bekämpfung der die Aviationsbewegung schädigenden Auswüchse zu erhalten Die Kritik, welche nun endlich auch von von dieser Seite her anhebt, ist keineswegs übertrieben. Und man denke auch nicht etwa, daß sie nur auf die unbekannten „Kleinen" paßt. Sie trifft ebenso und noch mehr auf die Großen, ja sogar auf einige „Nationalhelden" zu . . .

Der arme Graf Lambert! Ich habe nie viel von ihm gehalten, aber seine neuliche Flugleistung über das Marsfeld und den Eifelturm hin hat mich mit seinen Schwächen ausgesöhnt gehabt. Jedenfalls ist dies die erste Leistung gewesen, die er vollbracht hat. Wie stolz mag er auf den Jubel gewesen sein, den sein „Flug über Paris" auslöste. Und um sein Glücksgefühl gekrönt zu sehen, hat er wohl sehnsüchtig auf die Anerkennung seines Herrn und Meisters gewartet, zu dessen höheren Ehre und — mit dessen Apparat er den Flug ausgeführt hat. Die Quittung des „Meisters" ist heute in einer amerikanischen Zeitung zu lesen. Wil-bur Wright .äußert sich dort über den Flugs eines Meisterschülers wie folgt: „Die Leistung des Herrn de Lambert erregt mich in keiner Weise. Jeder Mensch hat das Recht, sein Leben zu riskieren, aber nicht das seiner Mitmenschen. Als der französische (?) Aviatiker von Juvisy in phantastischer Höhe nach dem Eifelturm flog, hat er diejenigen in eine gewisse Gefahr gebracht, die ihn von unten aus bewunderten. Sein Sturz wäre eine Katastrophe nicht nur für ihn, sondern auch für andere gewesen und das ist das bedenkliche. Der Graf Lambert, so schließt Wilbur Wright, verdient in lein Verrücktenhaus (lunatic asylum) gesperrt

zu werden!" Armer Graf Lambert! Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man hinter dieser durch die Tatsachen kaum berechtigten Schärfe der Kritik irgend ein bekanntes „Dessous" vermutet. Oder sollte der Amerikaner deshalb so ergrimmt sein, weil nicht er den Flug gemacht hat? ... Rl.

Der Flugsport in England.

(Originalbericht unseres Londoner Korrespondenten.)

In der Woche vom 18. 23. Oktober hat England gleichzeitig zwei rivalisierende Flugmeetings gesehen, das eine in dem Seebade Blackpool, das andere auf dem Rennplatze von Don-caster. Beide wurden jedoch durch ein ausgesucht schlechtes Wetter ungünstig beeinflußt und müssen im allgemeinen als mißlungen bezeichnet werden, wenn auch einige schöne Leistungen zu verzeichnen sind. So gelang es Delagrange z. B. in Don-caster, in einem Abfluge von 100 ni Länge eine Höhe von 100 Fuß zu erreichen, und Latham zeigte in Blackpool am 22. Oktober seine vollendete Meisterschaft in der Beherrschung der Flugmaschine, imdem er im heftigsten Sturm zweimal um die Bahn fuhr. Diese Leistung rief auch bei Roiigier die begeistertste Anerkennung he vor und Paulhan sagte wörtlich: „Es war großartig, M, Latham, aber es war zu gefährlich und zu schrecklich für uns alle. Ihre Freunde sahen es mit Bewunderung, aber sie fürchteten jeden Augenblick für Sie."

In Blackpool sind folgende Preise ausgeteilt worden: Grand Prix des Lancashire Aero-Club:

1. Farman (Farmen-Biplan), 47 Meilen 1544 Yards =

77 km in 1 St. 32 Min 16*1* Sek. 2000 Lstr.

2. Rougier (Voisin-Biplan), 17 Meilen 1544 Yards =

28,8 km in 34 Min. 27V, Sek 720 „

3. Paulhan (Farman-Biplan , 15 Meilen 1568 Yards =

25,6 km in 32 Min. 17V, Sek. 280 „

Preis der Zeitung „Daily Sketch" für größte Schnelligkeit in drei Runden (ca. 6 Meilen = 9,7 km.)

1. Farman (Farman-Biplan) in 9 Min. 49'/, Sek. 400 Lstr.

2. Paulhan (Farman-Biplan) in 10 Min. 54% Sek. 100 „

Preis der Zeitung „Manchester Guardian" für die langsamste Runde (ca 3,25 km). 1. Latham (Antoinette-Monoplan) in 5 Min. 30% Sel<; oder 35,5 km per Stunde: Ehrenpokal und 100 Lstr.

Allgemeiner Verdienstpreis für diejenigen, welche nach dem Urteil der Preisrichter besonders verdienstliche Leistungen

gezeigt haben:

1. Latham (Antoinette-Monoplan) für seinen Flug von

ca. 9 km am 22. Oktober bei 40-65 km Windstärke 300 Lstr.

2. Paulhan (Farman-Biplan) für seinen Flug von 25 km

am 19 Oktober bei 24 - 40 km Windstärke 150 „

3. Rougier (Voisin-Biplan) für seinen hohen Flug von

28 km Länge am 18. Oktober 50 „

Gehülfenpreis für die Qehülfen desjenigen Bewerbers, der die meisten Runden gemacht hat, abgesehen vom Grandprix: 1. Rougier (Voisin-Biplan) 50 Lstr.

Außerdem hat Blackpool folgende Honorare gezahlt:

Farman (Biplan) 1200 Lstr.

Paulhan (Farman-Biplan) 1000 „ Rougier (Voisin-Biplan) 800 „

Fournier (Biplan) 600 „

Le Blanc (Monoplan) 500 „

Roe (Triplan) 100 „

Summa 4200 Lstr. Noch weit höher waren die Honorare in Doncaster, nämlich Delagrange (3 Monoplane, 1 Biplan) 6000 Lstr. Cody (Biplan) 2500 „ Sommer (Biplan) 1500 „ Graf van der Burgh (Monoplan) 500 „ Don Simoni (lenkbarer Ballon) 500 „ Mines (englischer Biplan)__100 „

Summa 11 600 Lstr.

Hierzu ist jedoch zu bemerken, daß Delagrange von seinem Honorare auch seine Schüler Le Blon, Molon und Pr6vot, die auf seinen Maschinen fuhren, zu bezahlen hatte. Die Preise waren in Doncaster allerdings weit geringer als in Blackpool und sollen hier nicht besonders aufgezählt werden, (sie fielen meist auf Delagrange und Sommer). Aber dafür erhielten die Flieger in Doncaster auch freie Reise erster Klasse mit ihren Frauen, Sekretären. Bedienung und Mechanikern, freien Transport der Maschinen, freie Verpflegung in den ersten Hotels — und doch sollen sie nicht alle zufrieden gewesen sein.

Bei diesen kolossalen Honoraren und Preisen und bei dem durch das schlechte Wetter hervorgerufenen geringen Besuche ist es selbstverständlich, daß die Unkosten in keinem von beiden Fällen gedeckt worden sind. Die Unkosten in Blackpool bebetrugen 400000 Mk., während die Einnahmen etwa 300000 Mk. erreichten. In Doncaster ist der Verlust sogar 160 000 Mk., wovon die Stadtverwaltung die eine Hälfte und die Unternehmer die andere Hälfte zu tragen haben. Ein vor dem Beginne des Don-caster-Fliegens in einem Londoner Gerichtshofe anhängig gemachter Prozeß, wobei verschiedene Personen Beteiligung am Gewinne beanspruchten, erwies sich also als vollständig gegenstandslos.

Um diesen Verlust etwas auszugleichen, wurde das Doncaster Meeting noch auf den 25. und 26. Oktober ausgedehnt, doch war auch an diesen Tagen das Wetter sehr schlecht. Sommer machte am 25. Oktober einen größeren Flug von 45 Minuten und Delagrange gelang ein Rekord, indem er in 1 Min. 47V» Sek. 1 engl. Meile 860 Yards = 2,4 km flog; das ist eine Schnelligkeit von 80 km per Stunde. Im ganzen sind in Doncaster nur 226 Meilen oder 360 km in den 10 Tagen geflogen worden.

No. 23

„FLU OS PORT."

Seite 651

Bemerkenswert ist, daß im Auftrage der Heeresverwaltung Artilleriehauptmann E. A. Steel in Doncaster war, der sich mit den französischen Fliegern über die Möglichkeit der Bildung eines militärischen Flugkorps unterhielt. Auf Grund dieser Besprechungen hat Steel einen Bericht ausgearbeitet, der in dem Royal Artillery Journal veröffentlicht werden soll.

Wenn wir in folgendem versuchen, die Eindrücke der englichen Ingenieure von diesen Flugwochen wiederzugeben, so ist zuerst zu bemerken, daß der Fortschritt der Flugmaschine, der noch in den letzten drei Monaten gemacht ist, Erstaunen erregte. Man hat allgemein den Eindruck, daß die Flugmaschine jetzt sicherer und weniger gefährlich ist, als der Motorrennwagen vor

Flugzeuge und Luftfahrt im Deutschen Kaiserreich sowie Fliegerclubs und Luftsportvereine im Jahr 1909

Codys Unfall vor seinem Ueberlandfluge.

12 Jahren. Nach vor kurzem wurde ein Wind von 20 km als unüberwindliches Hindernis für den Aeroplan angesehen. Als dagegen in Blackpool Rougier auf die dem Winde exponierte Lage des Flugplatzes aufmerksam gemacht wurde, entgegnete er, daß der Wind nicht mehr solche Schwierigkeit mache, wie noch vor wenigen Wochen, und Farman erklärte sogar, daß er mit ein bischen mehr Wind besser fliegen könne.

Endlich kam Lathams großer Flug, wobei seine Geschwindigkeit eine Zeit lang auf 130 km geschätzt wurde. Da seine

Maschine selbst 65 km leistete, so mußten die andern 65 km auf den Sturm zurückgeführt werden Das ist aber eine Windstärke, die selbst größereDampfer veranlassen würden, ruhig im Hafen zu bleiben.

Der Streit zwischen Monoplan und Biplan ist auch bei diesen Gelegenheiten nicht entschieden worden. Der Monoplan erscheint leichter und handlicher, der Biplan dagegen stabiler und hat auch eine größere Hebekraft; für einen Flug in starkem Winde würde der Biplan als geeigneter angesehen werden, wenn Lathams großer Flug nicht eben auf einem Monoplan ausgeführt worden wäre. Von den Biplanen erschien die Farmansche Maschine zuverlässiger als diejenige Voisins. Den leichtesten Aufstieg hatte die Maschine Delagranges; sein Bleriot-Monoplan war meistens schon nach 20—30 m in der Luft, während die Biplane 400 m auf dem Boden zu laufen hatten-

Die Gnom-Motoren, von Farman und Paulhan benutzt, bewährten sich ausgezeichnet; die rotierende Masse des Motors scheint zu der Stabilität des Aeroplans beizutragen. Bezüglich Propeller zeigte die Erfahrung wieder, daß zweiblättrige am wirksamsten sind. Zwei Propeller, wie sie die Wright'sche Maschine aufweist, haben sich nicht besonders bewährt. Der 7füßige Propeller Latham's entwickelte bei 1200 Umdrehungen eine Kraft von 120 kg. Automatische Stabilität ist bisher nicht erreicht worden, wird vielleicht auch niemals erreicht werden. Auch der Vogel besitzt keine mechanische Stabilität, sondern stellt die durch den wechselnden Wind gestörte Stabilität ebenso unbewußtautomatisch wieder her, wie der Radfahrer, und so wird es auch wohl bei der Flugmaschine bleiben.

Die englischen Flieger, Cody, Roe, Mines, Humphreys, hatten keine besonderen Leistungen zu verzeichnen. Cody hatte ausgesprochenes Pech; Roe machte mit seinem Triplan in Blackpool einmal einen Flug von 70 m in einer Höhe von 6 m. Freilich ist Farrnan der Geburt und Nationalität nach Engländer.

Großes Aufsehen erregte in Doncaster der von Chauviere, dem bekannten Propeller-Fabrikanten, konstruierte und ganz neue Formen zeigende Monoplan; die Versuche mit demselben werden mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt werden müssen. Der Farman-Biplan Sommers wurde in Doncaster für 1200 Lstl. vom Platze weg verkauft. Sommer wird sich jetzt in Chälons der Ausbildung von Schülern und dem Verkaufe wie der Fabrikation von Maschinen widmen. — —

Am 29. und 30. Oktober hatte Paulhan auf dem Motorenplatze von Brooklands (Surrey, in der Nähe Londons) große-Er-Tolge. Am -29- Oktober machte er 8 verschiedene Aufflüge, die alle vorzüglich gelangen. Es war ein prächtiger Anblick, zu sehen, mit welcher Leichtigkeit er den Abflug und die Landung bewerkstelligte Zweimal trug er Passagiere 150 Fuß hoch. Für die Schnelligkeit, mit welcher er flog, bot die Tatsache einen Anhalt, daß bei einer Wettfahrt mit einem Rennautomobile das letztere nach wenigen Sekunden hoffnungslos zurückblieb. Noch glänzender waren die Flüge am 30 Oktober, wobei Paulhan 34 Meilen (= 54 km) in 58 Minuten 57 Sekunden zurücklegte und dabei eine Höhe erreichte, die auf 720 Fuß geschätzt wurde. Bei

einem zweiten Fluge, der 15 Minuten dauerte, machte er einen wundervollen Abstieg, indem er in einer Höhe von 200 Fuß den Motor stoppte und dann so elegant herabschwebte, daß die Maschine genau vor dem Schuppen zu Boden kam.

An demselben Tage, den 30. Oktober, gelang es Mr Moore-Brabazon auf dem Fluggrunde des Aero-Club in Shellbeach auf der Insel Sheppey einen Preis von 20000 Mark zu gewinnen, den die „Daily Mail" für den ersten Engländer ausgesetzt hatte, der auf einer englischen Maschine einen Kreisflug von einer Meile macht. Jetzt soll auch der Herzog von Westminster die Absicht haben, sich dem Flugsport zu widmen; augenblicklich hält er sich in Chälons-sur-Marne auf, um die verschiedenen Systeme zu studieren und dann die Wahl für eine eigene Maschine zu treffen.

Der Aero Club of Great Britain hat die in unseren früheren Berichten charakterisierte Haltung gegen das Fliegen in Doncaster nicht geändert, sondern eher noch verschärft, und es scheint, als ob er dadurch mancherlei Sympathien verloren hätte. Den provinziellen Vereinen gegenüber nimmt er eine etwas patronisierende Stellung ein und hat einen Vorschlag veröffentlicht, der darauf hinaus läuft, daß alle anderen Vereine sich mit ihm vereinigen sollen, während das Komitee des Aero-Clubs bei Abstimmungen stets ein Uebergewicht in der Stimmenzahl behalten würde. Die dadurch hervorgerufene Abneigung hat der mit dem Aero-Club rivalisierende Aeroplane-Club, der schon 1200 Mitglieder zählt, benutzt, urn eine andere Vereinigung der englischen Flugsportclubs vorzubereiten. Am 28- Oktober veranstaltete er im Rathaus von London eine Versammlung, bei welcher Major Bachn-Powell präsidierte und bei welcher außer dem Aeroplane-Club folgende Clubs vertreten waren: Leicestershire-, Northumberland- und Mid-lan :-Aeroclub; Verein zur Pflege des Drachenfliegens, Aeronautische Gesellschaft für den Südwesten Englands und die Aeronautische Gesellschaft von Coventry. Der Aero Club of Great Britain hatte keinen Vertreter gesandt, und ebenso wenig die Aerial League und die Aeronautical Society of Great Britain; dagegen waren Vertreter der Admiralität und des Kriegsministeriums zugegen. Das Ergebnis der Versammlung war, daß die Gründung eines Ausschusses zur Ueberwachung des Flugsports im englischen Reiche (Empire Aviation Council) beschlössen wurde. Die dadurch besiegelte Spaltung im Flugsport Englands, die zum Teil durch persönliche Differenzen hervorgerufen ist, muß bedauert werden; aber vielleicht hat sie auch ihr Gutes, weil sie zum Wettstreite und dadurch zu höh-ren Leistungen anspornt. Nichts fördert ja den Fortschritt so sehr als die "Konkurrenz.

Die I. Internationale Luftschiffahrt*Ausstellung

zu Paris.

Von unserem Pariser Korrespondenten. (Forts.)

Ii dem ich in meiner Besprechung des Pariser Salon auf die Aviationsmotoren überging, hatte ich hervorgehoben, wie sich, trotz der vielen Konstruktionstypen, von denen jede ihre Befürworter hat, allmählich doch die wesentlichen Charakteristiken einander zu nähern beginnen.

Die interessantesten Motoren mit V-förmig angeordneten Zylindern, dürften wohl die E. N. V. Motoren (Abb. I) sein. Wir sehen einen Achtzylinder von 105 mm Bohrung und 110 mm Kolbenhub. Die Zylinder sind einzeln gegossen und abgedreht. Die Ventilachsen sind nicht parallel mit denen der Zylinder. Die Wassermäntel sind aus Rotkupfer und auf elektrolytischem Wege geformt. Sie bilden demnach mit den Verbindungen für Einlaß und Abfluß des Wassers ein einziges Stück und sind mit den Zylindern in sehr praktischer Weise verbunden Während man so eine Dichtigkeit, genau wie bei den gegossenen Wassermänteln erreicht hat, erzielte man diesen gegenüber den Vorteil der Gewichtsersparnis, sowie der besseren Kühlung, denn die Wände haben durchweg die gleiche Stärke und außerdem stellt der Mantel aus reinem Kupfer einen vorzüglichen Wärmeleiter dar. Die Einlaß- und Auslaßventile sind nebeneinander angeordnet. Ihre Steuerung geschieht vermittels Nockenwelle, die in ihrer ganzen Länge hohl ist. Diese Welle trägt 17 Nocken, von denen der mittelste die Oel-pumpe betätigt; die Nockenwelle ruht in sechs Broncelagern und trägt ein großes heliciodales Rad, in welches ein auf die gekröpfte Welle aufgesetztes Zahnrad eingreift, während es selbst ein kleines Zahnrad über sich in Bewegung setzt welches die Magnetzündung und die Zentrifugalwasserpumpe antreibt. Eine automatische Schmierung wird dadurch erreicht, indem ein Schwimmer einen kleinen Verschlußkolben betätigt, der den Oeleinlaß versperren kann, hält er ein ständiges Niveau auf dem Boden des Gehäuses, der das Reservoir bildet. Eine Kolbenpumpe saugt dieses Oel durch ein Sieb hindurch an und verteilt es auf die einzelnen Hauptlagerstellen der Welle. Diese Pumpe wird durch einen Hebedaumen betätigt, welcher auf die Rolle eines Hebels wirkt, dessen anderes Ende auf die Kolbenstange drückt. Eine Feder hält beständig die Rolle gegen ihren Hebedaumen gepreßt. Von den Lagern dringt das Oel durch Oeffnungen in das

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Abb. 1. E. N. V. Abb. 2. Renault.

Innere der gekröpften Welle, welche hohl ist. Die Kurbeln ihrerseits sind mit Oeffnungen versehen, welche dem Oel gestatten, durch die in ihrer ganzen Länge durchlöcherten-Kolbenstangen und durch die gleichfalls hohlen Kolbenachsemu den Zylindern zu gelangen, indem es auf seinem Wege dahin alle in Reibung befindlichen Teile gleichzeitig ölt. Das gleiche Prinzip der Oelung ist bei der Nockenwelle angewandt. Der Motor gibt bei 1100 Umdrehungen 60 PS.; sein Gewicht beträgt in voller Ausrüstung 130 kg

Ein gleichfalls achtzylindriger Motor derselben Marke ergibt, bei 85 mm Bohrung und 90 mm Hub, bei 1600 Umdrehungen 42 PS. und wiegt 70 kg. Seine Konstruktion ist die gleiche, wie diejenige des vorbeschriebenen Motors.

Zu derselben Klasse von V-förmigen Motoren gehören die Renault-Motoren. Der Achtzylinder (Abb. 2) gehört mit zu den leichtesten dieser Type, die im Salon zu sehen sind. Die zwei Reihen Zylinder zu je vier stehen in einem Winkel von 90 0 zu einander. Die gekröpfte Welle hat fünf Lager, von denen die beiden äußeren auf Kugeln laufen, während die drei inneren mit Anti-

friktionsmetall garniert sind. Der Motor ist in einem Blechgehäuse cachiert welches an der Achse zu einem runden Zylinder erweitert ist. Auf der Achse selbst ist ein Ventilator aufmontiert, welcher die Luft gegen die Zylinder preßt. Die Disposition der Zylinder ist analog derjenigen bei den Vierzylindern; der Motor hat gleichfalls nur eine Nockenwelle. Es genügt, bei den Achtzylindern einen Magnetapparat anzuwenden, der mit der doppelten Geschwindigkeit des Motors dreht. Die Zylinder sind bei dem Renault-Motor aus zwei Teilen; richtiger gesagt sind Zylinder und Zylinderdeckel besonders gegossen. Die Ventile sind übereinander placiert, das Einlaßventil unten, direkt gesteuert, das Auslaßventil oben, durch Steuerungshebel betätigt. Die Zylinder haben 120 mm Bohrung und 120 Hub. Der Motor hat ein Gewicht von 2,919 kg pr. P.-S. und 3,317 kg einschließlich der vollständigen Ausrüstung für einen Betrieb von einer Stunde.

Die gleiche Firma stellt noch einen Vierzylinder 45 PS-Motor (Abb. 3) aus, dessen Zylinder aber vertikal angeordnet sind. Dieser Motor ist mit aufmontiertem kupfernem Wassermantel, gesteuerten Ventilen, Karburator, Magnetapparat und einem Spezial-Oelapparat Renault ausgerüstet, wie er bei allen Motoren dieser Firma zur Verwendung gelangt.

Der Vierzylinder-Renault-Motor in V-Form ist von ähnlicher Konstruktion, wie der oben beschriebene Motor der gleichen Type. Die gleichfalls in einem Winkel von 90 ϖ zu einander stehenden Zylinder haben 90 mm Bohrung und 120 mm Hub. Der Motor gibt 1800 Umdrehungen und 25 PS. Sein Gewicht beträgt, einschließlich Ventilator und Aluminiumgehäuse 110 kg. Auch hier erfolgt die Kühlung durch einen Zentrifugalventilator, welcher die Luft in einen Aluminium-Carter preßt, der die Zylinder des Motors vollständig umgibt. Die Luft wird auf diese Weise gezwungen, die Kühlflanschen intensiv zu bestreichen.

Auch der 8-Zylinder 50 PS de Dion-Motor (Abb. 4) hat seine Zylinder in V-Form und zwar in zwei Reihen zu je vier, wovon je zwei Zylinder einen Block

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Abb. 3. Renault. Abb. 4. De Dion.

bilden. Die Montage der Kurbelstangenköpfe_ist hier etwas weniger einfach.

Der Motor ist mit zwei Magnetapparaten versehen, von denen jeder je eine Gruppe von vier Zylindern bedient. Im Uebrigen ist die Konstruktion genau dieselbe, wie die der bekannten Automobilmotoren der genannten Firma, nur daß die Armatur, Wasserröhren, Ansaugeröhren, Verschlußdeckel für den Wassermantel usw. aus Aluminium hergestellt sind. Das Charakteristikum dieses Motors bleibt demnach die Gegenüberstellung der Zylinder.

Zwei interessante Motoren sehen wir am Stand der Fima Panhard-Levassor : einen Vierzylinder 35 PS. (Abb. 5) und einen Vierzylinder 125 PS. Der erstere, mit vier vertikalen Zylindern von 110 mm Bohrung und 140 mm Kolbenhub, ist offenbar mit geringen Aenderungen der Automobifabrikation entnommen. Sein Gewicht beträgt 90 kg einschließlich Wasserzirkulationspumpe, Magneto, Vergaser, sowie Röhrensystem für Ansaugung, Auspuff und Oelung. Ansaug- und Auspuffventild sind konzentrisch und am Boden der Zylinder plaziert. Ein ein-

ziger Steuerungshebel betätigt beide Ventile. Zu diesem Zwecke empfangen die Ventildrücker von der Nocke zwei positive Bewegungen: eine Aufwärts-und eine Abwärtsbewegung. Das Steigen des Drückers öffnet das Auspuffventil, sein Heruntergehen ruft eine Aufstiegbewegung des Endteils des Drückers hervor; diese Bewegung betätigt einen anderen kleinen sekundären Drücker, der auf die Unterlegscheibe der Auspuffventilfeder aufgesetzt ist, und öffnet das Einlaßventil. Der Wassermantel aus Kupferblech ist aufmontiert. Neu ist der automatische Karburator, System Krebs. Gegen die frühere Konstruktion der Panhard-Motoren ist festzustellen, das der Luftregulierungs-Apparat kleiner gehalten und daß überhaupt durchweg darauf hingewirkt ist, an Gewicht zu sparen, ohne daß aber die Solidität des Mechanismus darunter gelitten zu haben scheint.

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Abb. 5. Panhard. Abb. 6. Clement-Bayard

Von der gleichen Marke wäre noch ein 125 PS.-Motor zu erwähnen, der vier Zylinder von 185 mm Bohrung und 200 mm Kolbenhub hat. Das Gewicht des nackten Motors beträgt 380 kg, einschließlich des Röhrensystems 445 kg. Die Zylinder sind aus Stahl, die Wassermäntel aus Rotkupfer sind mit Silber auf die Zylinder gelötet. Die Zylinderdeckel sind gegossen hergestellt. Die gesteuerten Einlaß- und Auspuffventile sind symmetrisch im Längsschnitt rechts1! und'links vom Motor angeordnet. Die" Kurbelwelle hat fünf Lager. Das Gehäuse'ist aus Aluminium. WasserzirkulationJ durch Zentrifugalpumpe. Automatischer Vergaser.

Die Motortypen, die Clement-Bayard zur Schau brachten, erregten mit vollem Rechte die lebhafteste Aufmerksamkeit. In erster ReiheVist es der neue Vierzylinder-Monobloc, Abb. 6, der viel Beachtung fand und/mit dem wir uns hier beschäftigen wollen. Dieser Motor, dessen Zylinder eine Bohrung von 100 und einen Kolbenhub von 120 mm haben, entwickelt 40JPS. :und;|hat 'ein'Gesamt-gewicht, einschließlich Vergaser, Magnetapparat und Röhrensystem, von 110 kg. Die normale Tourenzahl des Motors ist 1100. Die vier Zylinder sind, wie schon erwähnt, aus einem Block gegossen, um auch auf diese Weise etwas an Gewicht zu sparen. Die Wassermäntel sind aufgeschraubt. Die Ventile sind nebeneinander auf einer Seite, der Zylinder., angeordnet, ein Konstruktionsprinzirj, wie es von gewissen Autoraobiltypen der genannten Firma her bereits bekannt ist. Die Ansaugventile liegen dicht nebeneinander. Die Anordnung der Ventile sämtlich von einer Seite des Motors hat den Vorteil, daß es dadurch mögl ch wird, den Zylinderdeckeln eine nahezu hemisphärische Form zu geben, damit die Widerstände beim Einlaß und Austritt der Gase möglichst beschränkt werden. Ueber den Ventilen befinden sich Verschlußschrauben, welche die Zündkerzen tragen. Die vorerwähnten kupfernen Wassermäntel sind aus einem Stück und mit Falten versehen, damit sich die Ausdehnung des Kupfers ohne Schaden vollziehen kann. Die Kolben aus gepreßtem Stahl sind sehr leicht. Am unteren Teile sind sie durchlöchert Die gekröpfte Welle dagegen ist sehr stark gehalten und läuft in drei Lagern. Der automatische, benzinsparende Karburator arbeitet mit einer Zerstäuberdüse.

Ein gewaltiger Vierzylinder-Motor von 200 PS., gleichfalls von Bayard-Olement, fällt durch seine ungewöhnlichen Dimensionen auf. Seine Zylinder

haben eine Bohrung von 190 mm und einen Kolbenhub von 230 mm. Trotz deV hohen motorischen Stärke übersteigt der Motor nicht das Gewicht von 500 kg. Dieser Motor ist für Lenkballons bestimmt und insbesondere für eine neue, im Bau befindliche Type, die mit zwei dieser Motoren ausgestattet werden soll. Ein Kupplungssystem zwischen den beiden Motoren wird es ermöglichen, nach Belieben gleichzeitig beide Maschinen oder nur eine von ihnen zu betreiben.

Wir sehen ferner einen Achtzylinder Bayard-Clement von 170 PS. dessen Zylinder vertikal in einer Reihe hintereinander auf einer gemeinschaftlichen Achse angeordnet sind. Die Ventile sind am Kopfe der Zylinder in einem Winkel von 45" aufgesetzt,

Der von der Firma Darracq (Abb. 7) ausgestellte kleine wassergekühlte Zweizylinder von 35 PS erregte um so größeres Interesse, als bekanntlich gerade

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Abb. 7. Darracq. Abb 8. Darracq.

in letzter Zeit Santos Dumont auf seiner mit dieser Motortype ausgestatteten Demoiselle vielbemerkte Leistungen vollbracht hat. Allerdings ist der Motor nicht neu. Die beiden horizontalen Zylinder sind gegenüberliegend. Ihre Bohrung beträgt 130 mm, ihr Hub 120 mm. Das Gewicht beträgt 50 kg.

Der Vierzylinder 120 PS-Motor derselben Firma (Abb. 8) zeigt die bekannte Bauart der Darracq-Automobilmotoren, ohne daß, abgesehen von der durch Verwendung leichteren Materials erzielten Gewichtsverringerung, irgendwelche Veränderungen zu konstatieren wären. Die Zylinder dieses Motors sind einzeln gegossen.

Der Vierzylinder-Clerget-Motor (Abb. 9) zeigt so recht, was man aus einem gewöhnlichen Vierzylinder-Automobilmotor machen kann, wenn man die unerläß-

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Abb. 9. Clerget. Abb. 10. Brouhot.

liehen Bedingungen eines Aviationsmotors zu erkennen und zu berücksichtigen weiß. Clerget hat seinen Zylindern eine Bohrung von 110 mm und einen Hub

von 120 mm gegeben. Bei normalem Regime von 1650 Touren entwickelt der Motor etwas über 50 PS.; die höchste erreichte Stärke war 63 PS. Gew. 72 kg. Für die Kolben verwendet Clerget eine Legierung von ganz besonderer Leichtigkeit,, .die aber bisher keinerlei Unzuträglichkeiten ergeben hat. Die Kurbelwelle besitzt Kugellager: Sehr ingeniös ist die Steuerung. Sie geschieht vermittels Nocken mit doppelter Wirkung. Eine genaue Besichtigung des Steuerungssystems, das gegenwärtig im Auslande zum Patent angemeldet ist, wurde nicht gestattet. Der Motor, der von der Firma Malcet & Blin gebaut ist, zeigt eine saubere und exakte Arbeit. Zu dem Gewichte von 72 kg kommen noch hinzu ein Schwungrad von 18 kg, ein Aluminium-Radiator der deutschen Marke Basse & Selve von 13 kg, ein Wasservorrat von 15 Litern, sowie die kleinen Zubehöre, sodaß sich für den vollständig ausgerüsteten Motor ein Gewicht von 2,5 kg pro PS ergeben wird.

Der Sechszylinder-Motor Buchet hat den Vorzug, daß er sehr ruhig geht. Die- Schmierung des Buchet-Motors erfolgt unter Pression, die Kühlung vermittels Wasserzirkulation durch Thermosyphon. Die Ventile sind oben auf den Zylinderdeckeln nebeneinander angeordnet. Sie werden durch Ventildrücker betätigt, die dur h eine gewöhnliche Nockenwelle in Bewegung gesetzt werden.

Der Vierzylinder-Motor „Gyp" der Firma Gregoire arbeitet mit hoher Kompression. Die Bohrung beträgt 92 mm, der Kolbenhub 140 mm. Er leistet bei 1600 Umdrehungen 35 bis 40 PS. Die Welle läuft in Kugellagern. Die vertikalen Zylinder sind aus einem einzigen Block gegossen. Die Kühlung erfolgt durch Thermosyphon, die Zündung durch Akkumulatoren. Das Gesamtgewicht des Motors beläuft sich auf 80 kg. Wie bekannt ist der „Gyp"-Motor auf einem Eindecker derselben Firma montiert, welcher in einer der letzten Nummern des „Flugsport" näher beschrieben worden ist.

Der Brouhot-Motor (Abb. 10) hat acht Zylinder in V-Form angeordnet, die eine Bohrung von 105 mm und einen Kolbenhub von 110 mm aufweisen. Die Zylinder sind einzeln gegossen und mit aufgesetztem Wassermantel versehen. Die Ventiele sind vertikal, trotz der Neigung der Zylinder. Die Ventile werden durch zwei Steudrungshebel betätigt. Eine einzige Nockenwelle steuert sämtliche Ventile vermittels Winkelhebel. Die Wasserzirkulation geschieht vermittelst Zentrifugalpumpe Die Oelung erfolgt durch Pumpe unter starker Pression. Der Brouhot-Motor, der sich zwar nicht durch seine besondere Leichtigkeit auszeichnet, (er wiegt bei 60 PS 120 kg) aber, wie anerkannt werden soll, sehr regelmäßig funktioniert, wird demnächst von Delarange auf einem neuen Eindecker montiert werden, mit dem der Genannte in Zukunft Flugexperimente vornehmen will.

Einen recht kompakten Eindruck macht äußerlich der Vierzylinder - Motor Asteiyäer eine Bohrung von 130 mm und einen Hub von 140 mm aufweist Bei 1000 Umdrehungen entwickelt dieser Motor 50 PS; hein Gewicht beträgt 110 kg, einschließlich der Wasser- und Oelpumpen Der Karter ist aus Aluminium und aus einem Stück. Die Zylinder sind aus einem Block gegossen. Die Ventile werden von unten gesteuert. (Schluß folgt,)

Das Pariser Aviations-Meeting.

(Von unserem Pariser Korrespondenten.)

Genau wie sie begonnen, so ist sie auch zu Ende gegangen, die „Große Doppelwoclie von Juvisy". Sie ist sanft, aber nicht schmerzlos entschlafen. An der Teilnahmlosigkeit des Publikums lag es etwa';nicht. Im Gegenteil, ganz gegen Erw ten hatten sich an den ersten Tagen des Meetings ganz gewaltige Scharen nach Juvisy^ begeben, die aber grausam enttäuscht wurden. Zunächst war es die mangelnde Vtrkehrsorganisation, die ganz unglaubliche Zustände schuf. Am Sonntag z. B. wollten mehr als 100000 Personen mit der Bahn nach Juvisy befördert werden. Von Mittags an stockte jeder Verkehr und dieZüge, die fahrplanmäßig gegen 1 Uhr in Port Aviation eintreffen sollten, langten dort erst nach Schluß des Meetings an. Auf den Bahnhöfen herrschte förmlicher Aufruhr, man zerschlug alle Scheiben, demo-

lierte die Waggons, ohne damit eine regelrechte Beförderung zu erlangen. Wenn man in diesen Tagen in Paris Jemanden fragte-: . „Sind Sie gestern nach Juvisy gefahren?" so bekam man zur Antwort: „Hingefahren bin ich, aber angekommen bin ich nicht!" Selbstverständlich haben die traurigen Zustände den Enthusiasmus des Publikums nicht zu fördern vermocht, zumal auch die flugsportlichen Leistungen zu Juvisy weit hinter allen Voraussetze : ungen zurückblieben.

Äußer Gobr.on und Graf Lambert waren in den ersten Tagen des Meetings noch Paulhan und Fournier, die später zur Teilnahme an den englischen Aviationsbewerben abreisten, m Juvisy bemüht, das „Programm" zu absolvieren. Ebenso machte Latham einige erfolglose Flugversuche, bis auch ihn seine Verpflichtungen nach Blackpool abriefen. Bei Fourniers Abreise gab es noch einen peinlichen Zwischenfall. Nachdem Baron de Lagatierie ihn vergeblich zu bewegen versucht hatte, in Juvisy zu bleiben, postierten sich eines Tages zwei Polizisten an dem Tor des Fournier-schen Hangars und verhinderten die Verladung des Apparats nach,. ■ England. Diese Art der „polizeilichen Sistierung" von Flugap-paraten ist überhaupt jetzt hier, wie an anderer Stelle ausfuhr-* lieber dargelegt wird, sehr in Mode gekommen, nicht zum Vor^ ; teil der aviatischen Bewegung.

Auch einen bedauerlichen Unfall gab es am Sonnabend zu Juvisy. Richer, der ehemalige Mechaniker des ums Leben gekommenen Hauptmanns Ferber, hatte nach dessen Tode begonnen, sich mit der Steuerung von Flugmaschinen vertraut zu machen. An jenem Tage stieg er, trotz Abratens aller Anwesenden, bei einem heftigen Winde mit einem Zweidecker der „Ligue Nationale Aerierine" auf und erreichte eine Höhe von 12 Metern. Der Wind ging mit einer Schnelligkeit von 4 m die Sekunde. Plötzlich, nachdem Richer einmal bereits die Bahn umkreist hatte, geriet der Apparat in einer Kurve in einen Wirbelwind, neigte ; stark zur Seite, stieß schließlich auf denBoden auf und zerschellte ■" in Splitter, unter denen man den Mechaniker schwer verletzt hervorzog.

Am Donnerstag war der „Glanztag" von Juvisy. An diesem Tage war der Präsident der Republik anwesend und Paulhan vermochte unter den jubelnden Zurufen einer etwa 80000 köpfigen Menge einen schönen Flug von 26 Minuten auszuführen. Der letzte Montag brachte außer einem 22 km-Fluge des jungen Piloten Henri Bregi auf einem Voisin-Zweidecker einen bemerkenswerten Vorfall: Kurz nach fünf Uhr trat Blanck mit seinem Monoplan Bleriot zum Start an. Er erhob sich einige Metex und nachdem er etwa 2 Minuten geflogen war, wandte sich der Apparat zum Schrecken derZuschauer plötzlich gegen dieTribünen. Unbegreiflicherweise machte der Pilot keinen Versuch, von der gefährlichen Richtung abzukommen, weil, wie Blanck nachher': erklärte, er hoffte, sich „nach und nach wieder in die Fluglinie-zurückzubringen." Mit einem dröhnenden Anprall stieß der Apparat gegen die Barrieren des großen Pavillons.. Einige Zuschauer lehnten gegen die Barriere und hatten wohl als sicher angenommen, daß der Pilot noch im letzten Augenblick abbiegen werde. ;

Seite 660

„FLUGSPORT".

No. 23

Sie hatten sich nicht von der Stelle gerührt. Es gab ein furchtbares Durcheinander, bei dem vier Personen, eine Frau tötlich verletzt wurden.

Die eigentliche Sensation des Meetings von Juvisy spielte sich fern von diesem Meeting ab. Am Montag Abend erhob sich Graf Lambert mit seinem Wright-Zweidecker, machte eine Umkreisung der Flugbahn und entfernte sich zum nicht geringen Staunen der anwesenden Zuschauer in der Richtung nach Paris. Allgemein nahm an, daß Lambert durch den Wind verschlagen worden war und als nach nahezu einer halbenStunde keine Nachricht von ihm auf der Bahn eingetroffen war, pflanzte sich die Kunde von Juvisy nach Paris, daß Graf Lambert verunglückt bezw. „verschollen" sei. Und während in Paris Extra-Ausgaben der Blätter diese Sensationsnachricht verbreiteten, nahm Lambert, der seinen Apparat in voller Gewalt hatte, seinen Weg über Ville-juif nach dem Marsfelde in Paris, umkreiste zweimal den Eiffelturm und kehrte über Gentilly und Rungis nach Juvisy zurück, wo er nach einem Fluge von 48 km in 49 Minuten 39 Sekunden wohlbehalten vor seinem Schuppen landete. Mittlerweile hatte sich durch Augenzeugen, die den Apparat über Paris schweben sahen, die Kunde von dem gelungenen Wagnis verbreitet und nun entlud sich ein Enthusiasmus, wie er sogar hier in Paris nicht oft gesellen worden ist. Es war dies der erste Fall, daß ein Mensch über Paris geflogen ist und dieses Ereignis gab Veranlassung zu einem Ausbruch von jubelnder Begeisterung, die in in dem Grafen Lambert den eigentlichen „König der Lüfte" sah. Einen Tropfen Wermut in den überquellenden Becher der Freude träufelte der Umstand, daß Graf Lambert nicht Franzose, sondern Russe ist und nur die Tatsache, daß „aber seine ganze Familie schon Franzosen sind", konnte als tröstender Balsam gelten.

Natürlich kam diese Sensation der Veranstaltung von Juvisy nicht zugute, denn dazu fahren die Pariser nicht nach Port Aviation, daß Graf Lambert — nach dem Marsfelde zu Paris fliegt. Das Interesse an den ergebnislosen Flugversuchen injuvisy wurde immer geringer und am Donnerstag wurde man durch die Nachricht überrascht, daß die „Große Doppelwoche von Paris", deren programmmäßiger Schluß am Sonntag erfolgen sollte, ihr Ende erreicht habe! Sie ist, wie gesagt, an innerer Entkräftung sanft, aber sicher nicht schmerzlos entschlafen.

In den verschiedenen Stad.gegenden von Paris, namentlich aber vor den Gebäuden der großen Zeitungen, stehen hohe Masten, an denen man täglich kleine Fähnchen aufgezogen hatte, die den Parisern durch ihre Farbe anzeigten, ob man injuvisy fliegt, vielleicht fliegt oder nicht fliegt. Traurig hängen heute die kleinen Wimpel an ihrem Mast. Sie haben noch die Farbe des letzten Meetingtages, sie sind rot: man fliegt ...

Rl.

Ueber die Gültigkeit der Wrightpatente.*'

Wie wir bereits in der letzten Nummer des „Flugsport" berichteten, hatte Wright im Pariser Salon die Apparate mit krümmbaren Flächen pfänden lassen. Ebenso kam aus Amerika die Nachricht, daß Wright gegen den Aviatiker Sokier, welcher mit einem Bleriot-Apparat fliegt, wegen Patentverletzung eine Klage eingereicht hat.

Fast unerklärlich ist der Klageanspruch, durch welchen alle in der Welt existierenden Flugmaschinen nach den Erfahrungen und Studien der Gebrüder Wright konstruiert seien. Daß Wright auch gegen Curtiß Klage führt, ist bekannt. Uns ist nicht verständlich, auf welche Organe sich die Klage beim Curtiß-Flieger erstreckt, da bekanntlich Curtiß anstelle der Flächenverwindung besondere Flügelflächen augebracht hat.

Im übrigen werden in letzter Zeit in Deutschland Nachrichten laut, wonach Flugapparate ähnlicher Konstruktion nicht nur im Projekt sondern auch im Bau bereits existiert haben. So teilt uns z. B. die W. Schröter-Motorenfabrik in Delitzsch folgendes mit:

„Im Besitze Ihres werten Schreibens teile Ihnen mit, daß die Tragflächen des vor 13 Jahren in meiner Fabrik gebauten Fliegers etwas gekrümmt waren. Die Rippen der Tragflächen waren an

einem Hauptrohr des Gerippes durch Schellen drehbar angeordnet. Diese Anordnung ermöglicht es, die Tragflächen leicht zu verstellen. Das Steuer zum Hoch-, Tief- und Kurvenfahren konnte in seinei Lage gegen die Flugrichtung verstellt werden. Bemerken müchte ich, daß die ersten Skizzen dieses Drachenfliegers"'"scTToii im Jahre 1879 angefertigt wurden."

Wir bitten die verehrten Fach genossen, uns ähnliche Mitteilungen wie die vorliegende vertraulich machen zu wollen. Wir werden in einer der nächsten Nummern ausführlicher auf diese Frage zurückkommen.

In der Annahme, daß das Hauptwrightpatent in dieser gültigen Fassung noch nicht genügend bekannt ist, lassen wir in Nachstehendem den Schriftsatz der Patentschrift folgen.

*) Der Nachdruck unserer Abbildungen ist streng verboten.

Flugzeuge und Luftfahrt im Deutschen Kaiserreich sowie Fliegerclubs und Luftsportvereine im Jahr 1909

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Flugapparat Schröter 1879.

Orville Wright und Wilbtir Wright in Dayton (V. S. A.)

Mit wagerechtem Kopfruder und senkrechtem Schwanzruder versehener Gleitflieger.

Patentiert im deutschen Reiche vom 24. März 1904 ab.

. Die Erfindung bietet eine Neuerung an Gleitflugapparaten, die mit wage-feehtem Kopf- und senkrechtem Schwanzruder versehen sind, und bei denen die beiden übereinander angeordneten Tragflächen an entgegengesetzten Seiten unter verschiedenen Winkeln zum Winde eingestellt werden können, und besteht in einer Anordnung, welche ermöglicht, die Lage der Maschine in Bezug auf eine durch die Maschinenmitte gehende in der Flugrichtung liegende Achse zu regeln.

Flugmaschinen der gekennzeichneten Art sind beim Fluge durch die freie Luft Gleichgewichtsstörungen ausgesetzt, welche sie um drei Achsen zu drehen streben; eine in der Richtung von vorn nach hinten sich erstreckende Achse, eine wagerechte Querachse und eine senkrechte Achse.

Die Erfindung bezweckt die Regelung der erstgenannten Drehungsart und erreicht dieselbe vermittels der auf der Zeichnung dargestellten Anordnung.

Abb. 1 ist eine Perspektive Ansicht der Flugmaschine, Abb. 2 eine Seitenansicht und Abb. 3 die Oberansicht derselben.

Die übereinander angeordneten wagerechten Flächen 1., welche durch Bespannen von aus Holz und Draht gebauten Rahmen mit geeignetem Gewebe

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Abb. 1.

hergestellt sind, bilden die Flügel oder Tragflächen der Maschine. Sie sind miteinander durch gelenkig an den Längssparren 4 der Rahmen befestigte Ständer 2 verbunden, zwischen welchen kreuzweise Drähte 3 eingespannt sind. Es sind so Hängewerke gebildet, welche der ganzen Maschine in ihrer Querrichtung große Steifigkeit und Festigkeit erteilen. Die gelenkige Verbindung zwischen Ständer und Rahmen gestattet Bewegung sowohl durch Biegung wie durch Verdrehung. , Sie kann mittels Universalgelenke oder durch eine andere die erforderlichen.- Bewegungen zulassende Gelenkart hergestellt werden. Der Zweck dieser so gestalteten gelenkigen Verbindung ist, den Tragflächen bezw. .Teilen derselben eine schraubenförmige Verdrehung erteilen zu können. VSfi der hinteren linksseitigen Ecke Abb. 1 der oberen Tragfläche 1 aus ist ein daselbst befestigtes Tau 5 diagonal nach der linken vorderen Ecke der unteren Tragfläche 1 um eine hier angeordnete Rolle 6, dann längs der Vorderseite der unteren Tragfläche hin und an deren rechtsseitiger Vorderecke um eine Rolle 6 diagonal aufwärts nach der hinteren rechtsseitigen Ecke der oberen Tragfläche geführt, wo es wieder befestigt ist. Andererseits ist von der vorderen .linksseitigen Ecke der oberen Tragfläche 1 aus ein daselbst befestigtes Tau 8 diagonal nach der hinteren linksseitigen Ecke der unteren Tragfläche 1 um eine hier angeordnete Rolle 7, dann längs der Hinterseite der unteren Tragfläche nach deren hinterer rechtsseitiger Ecke und hier um eine Rolle 7 nach der

vorderen rechtsseitigen Ecke der oberen Tragfläche geführt und hier wieder befestigt.

An das Tau 5 ist an der Stelle, welche vom Flieger eingenommen wird, ein Schlitten 9 befestigt, welcher die Hiiftengegend des auf der unteren Tragfläche 1 lang ausgestreckt liegenden Fliegers aufnimmt, der mit den Händen die zur Verstellung eines Vorder- oder Kopfruders dienende Rolle 10 gefaßt hält. Die beiden Taue 5 und 8 dienen, wie weiterhin beschrieben, dazu, beiden Tragflächen eine übereinstimmende (schraubenförmige) Verdrehung zu erteilen.

Der Hauptrahmen jeder Tragflächen 1 ist durch Verbindung der beiden Längssparren 4 Abb. 3 vermittels Endbügel 11 hergestellt. Das zum Bespannen dienende Gewebe 12 wird aus quergeschnittenen Stücken in annähernd der Größe und Form der Tragflächen 1 zusammengesetzt und in der Art auf den Rahmen

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3/ , ü

Abb. 2.

gespannt, daß seine Fäden diagonal zu den Sparren 4 und den Rippen 13 verlaufen. An der hinteren Kante wird es mit einem breiten Hohlsaum zur (Aufnahme des Drahtes 14 versahen. Durch die Vereinigung des wie beschrieben gebauten Rahmens und der in der angegebenen Weise hergestellten Bespannung entsteht eine Fläche, welche bei sehr großer Steifigkeit gegen seitlich und in der Längsrichtung wirkende Kräfte eine schraubenlinienförmige Verdrehung gestattet.

Dadurch, daß die beiden Tragflächen 1 durch Querversteifungen 3, Taue 5, 8 und Ständer 2 in der beschriebenen Weise miteinander verbunden srhd, ist ein System geschaffen, welches eine große Last zu tragen vermag, ohne Verzerrung zu erfahren. Verschiebt dagegen der Flieger den Schlitten 9 vermittels entsprechender Bewegung seiner Hüften nach rechts oder links, so erfahren die Tragflächen Verdrehung. Man betrachte Abb. 1 und stelle sich vor, der Schlitten 9 werde nach rechts verschoben. Der links vom Schlitten belegene Teil des Taues 5 wird entsprechend nach rechts gezogen und übt infolgedessen auf die Rolle 6 in der linksseitigen Vorderecke der unteren Tragfläche einen aufwärts gerichteten Zug aus, dagegen einen abwärts gerichteten Zug auf das obere Ende des linksseitigen hinteren Ständers 2 mit der Wirkung, daß der letztere Ständer gesenkt, der linksseitige vordere Ständer dagegen gehoben wird. Letztere Bewegung zieht das am oberen Ende des linksseitigen vorderen Ständers befestigte Tau 8 nach oben; dieser Zug überträgt sich auf das rechtsseitige Ende der Maschine mit der Wirkung, daß hier entgegengesetzt der vordere Ständer 2 gesenkt, dagegen der hintere Ständer 2 gehoben wird. Hieraus ergibt sich eine übereinstimmende schraubenlinienartige Verdrehung der beiden Tragflächen 1 um eine wagrechte Achse, die quer zur Flugrichtung gerichtet ist, mit der Wirkung, daß die rechte Maschinenseite sich in der Flugrichtung, unter einem kleineren Winkel einstellt als die linke Seite. Das Umgekehrte tritt ein, wenn der Schlitten 9 nach links hin verschoben wird.

Das wagerecht angeordnete Kopfruder 17 ist so einstellbar, daß es den Luftdruck je nachdem mit seiner Oberseite oder seiner Unterseite aufnehmen kann, um die Maschine um eine wagerechte Querachse zu drehen.

Das um eine senkrechte Achse verstellbare Schwanzruder 27, welches vermittels Paare von Streben 28 mit beiden Tragflächen 1. verbunden ist, ist durch Steuerleinen 29 mit dem Tau 8 beiderseits der Mitte gekuppelt. Hierdurch wird es bei der Verschiebung des Schlittens zugleich mit den Tragflächen verstellt, und zwar so, daß es dem Winde diejenige Seite darbietet, welche der unter

dem kleineren Winkel eingestellten Tragflächenseite zugekehrt ist, indem es bei der Schlittenverschiebung nach rechts dem Winde seine rechte Seite und umgekehrt bei der Schlittenverschiebung nach links seine linke Seite zukehrt.

Bisher wurden von den Flugtechnikern zweierlei Methoden zur Regelung von Bewegungen der Flugmaschinen befolgt, um die Drehung um eine in der Flug-richtung liegende Achse zu beherrschen. Nach der einen Methode wird der Schwerpunkt der Maschine aus deren Mitte nach rechts oder links verschoben, soilaß das Gewicht stärker auf derjenigen Seite zur Wirkung kommt, welche sich zu heben strebt. Für sehr große Maschinen ist diese Methode indes ungeeignet wegen der Schwierigkeit, ein genügend hohes Gewicht in kurzer Zeit um den erforderlichen Abstand zu verschieben. Die zweite Methode besteht darin, die

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Flugzeuge und Luftfahrt im Deutschen Kaiserreich sowie Fliegerclubs und Luftsportvereine im Jahr 1909

Abbildung 3.

beiden Seiten (rechte und linke Seite) der Tragflächen aufwärts zu drehen, so daß sie sich unter einem Winkel zueinander stellen, dessen Scheitel mit einer in der Flugrichtung liegenden Achse zusammenfällt. Wird nun die ganze Maschine durch Windstoß um letztere Achse gedreht, so werden dadurch die Flugwinkel der in fester Stellung angeordneten Tragflächen auf beiden Seiten geändert ; die eine Seite stellt sich unter einem sehr kleinen Winkel ein, während die andere sich fast senkrecht stellt. Diejenige Seite, welche sich mehr der Horizontallage nähert, empfängt einen stärkeren Vertikaldruck als die steiler stehende Seite, und sie wird infolgedessen so lange gehoben, bis die Neigungswinkel auf beiden Seiten wieder gleich groß geworden sind. Da dieses Drehungsmoment erst dann zur Wirkung kommt, wenn die Maschine aus ihrer natürlichen Lage gebracht ist, so vollzieht sich seine Rückwirkung gegen den Windstoß nur langsam. Unrtlresen Lfebelstand zu beseitigen, wurden die Tragflächen drehbar um Achsen geordnet, die in den Winkelscheiteln lagen, so daß der Flieger sie mit Hilfe mechanischer Vorrichtungen augenblicklich beiderseits der Maschine unter verschiedenen Winkeln einstellen konnte, wenn die Maschine Neigung zum Kippen nach der Seite zeigte. Die Versuche haben jedoch ergeben, daß derartig eingerichtete Maschinen bedeutend empfindlicher gegen seitliche Windschwankungen sind als Maschinen, bei denen die Enden in gleicher Höhe wie die Mitte liegen.

Um nun die Unvollkommenheiten zu beseitigen, welche mit den bisherigen Einrichtungen verknüpft sind, wurde die beschriebene neue Anordnung getroffen, gemäß welcher die Seiten der Tragflächen zur Veränderung der Flugwinkel um eine Querachse verdreht werden, so zwar, daß die verstellten Seitenteile nach vorwärts gerichtet sind. Wenn eine Flugmaschine, deren Tragflächen gemäß vorliegender Erfindung eingestellt sind, durch die Luft vorwärts bewegt wird, ohne

daß ein Drehungsmoment sie um eine Vertikalachse zu drehen strebt, so empfängt die unter dem größeren Winkel eingestellte Seite den größeren Auftrieb und strebt zu steigen, während die andere Seite das Bestreben hat, zu fallen; da aber die erstere zugleich auch den größeren Horizontaldruck in Richtung nach hinten empfängt, so strebt sie sich nach rückwärts zu bewegen, so daß nicht nur die ganze Maschine um die in der Flugrichtung liegende Achse gedreht, sondern auch eine Drehung um eine vertikale Achse erfahren würde, welche den Flugapparat aus seiner Bahn herausbringt. Um nun diese letztere Drehung zu verhüten, ist es nötig, dieser Drehung durch ein in entgegengesetzter Richtung wirkendes Drehungsmoment zu begegnen. Hierzu stehen verschiedene Mittel zu Gebote, als zweckmäßigstes hat sich jedoch das beschriebene Schwanzruder erwiesen. Da es ferner zur Erzielung der erstrebten Wirkung wesentlich ist, daß dem Winde diejenige Seite des Ruders dargeboten wird, welche der unter dem kleineren Winkel eingestellten Tragflächenseite zugekehrt ist, so ist von größerer Bedeutung, daß beide Verstellungen gleichzeitig bewirkt werden können, was durch Verbindung der Tragflächen und des Schwanzruders mit dem Schlitten 9 erzielt ist. Hierdurch kann mittels Verdrehung der Tragflächen um eine wagerechte Querachse die Drehung der ganzen Maschine um eine von vorn nach hinten gerichtete Achse nach Belieben geregelt werden, ohne daß auf die Maschine ein Antrieb zur Drehung um eine Vertikalachse ausgeübt würde.

Patent-Ansprüche:

1. Mit wagerechtem Kopf rüder und senkrechtem Schwanzruder versehener Gleitflieger, bei welchem die beiden übereinander angeordneten Tragflächen an entgegengesetzten Seiten unter verschiedenen Winkeln zum Winde eingestellt werden können, dadurch gekennzeichnet, daß die Tragflächen biegsam gestaltet sind behufs schraubenförmigen, mittels einer Stellvorrichtung zu bewirkenden Verdrehens um eine quer zur Flugrichtung gedachte Achse, derart, daß die entgegengesetzten Seiten der Tragflächen sich in der Flugrichtung unter verschiedenem Winkel einstellen und daß das Schwanzruder mit der Stellvorrichtung derart gekuppelt ist, daß es dem Winde mit derjenigen Seite dargeboten wird, welche den unter dem kleineren Winkel eingestellten Tragflächenseiten zugekehrt ist, zum Zweck, den ganzen Gleitflieger um die in der Flugrichtung liegende Mittelachse zu drehen, ohne daß eine gleichzeitige Drehung des Apparates um seine senkrechte Mittelachse erfolgt.

2. Gleitflieger nach Anspruch I dadurch gekennzeichnet, daß zwischen den beiden, durch längsseitig versteifte Ständer (2) verbundenen Tragflächenrahmen zwei Seile derart gespannt sind, daß das eine (5) von der rechten hinteren Oberecke über die rechte vordere und linke vordere Unterecke zur linken hinteren Oberecke geführt ist, und in der Mitte zwischen beiden Unterecken einen Schlitten (9) zur Aufnahme des Luftfahrers enthält, während das andere Seil (8) in entsprechender Weise von der rechten vorderen zur linken vorderen Oberecke geführt ist.

3. Gleitflieger nach Anspruch 1, dessen Schwanzruder mittels Universal-gelenkes in starr mit dem Tragflächengerüst verbundenen Streben gelagert ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Steuerleinen dieses Ruders mit dem hinteren Seil (8) gekuppelt sind.

Flugtechnische

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Rundschau.

Inland.

Flieger Dr. Karl Vollmüller, Stuttgart. Der Apparat ist ein Eindecker von 12 qm Tragfläche. Das Gewicht beträgt 150 kg. Der Erfinder ist seit dem Frühjahr vergebens bemüht, einen geeigneten deutschen Motor für seinen Appa" rat zu beschaffen; da ihm dies nicht gelang, mußte er einen französischen Zweizylindermotor von 15—18 HP einbauen. Der in 10 Tagen fertiggestellte neue Apparat hat einen Dreizylinder-Motor von 25 bis 30 HP von der Firma Anzani.

Während des Versuchsstadiunis ruht, um Radbrüche zu vermeiden, die Last des Höhensteuers auf einem Schlitten. Die Bedienung des Apparates geschieht durch einen einzigen Hebel. Die Steuerung wird ermöglicht durch ein Höhensteuer, die eine Art Schwanz des Apparates bildet, die Seitensteuern wirken nur in Kombination mit der Verbindung der Tragflächen nach dem Patent Wright. Die Propeller sind aus Holz gefertigt und von der Firma Auer geliefert. Das Schlittengestell bestellt aus Eschenholz, die Längsträger aus Bambus. Eine sinnreiche Vorrichtung dient dazu, bei den Kurven das Gleichgewicht möglichst zu wahren, der Flieger muß jedoch im Gegensatz zum Radfahrer bei den Kurven sich ganz nach außen legen, wenn der Apparat nicht umstürzen soll. Die Ausbildung der Gleichgewichtshaltung ist eine der wichtigsten Obliegenheiten bei der Bedienung des Apparates.

Robert Schule in Eßlingen hat eine Flugmaschine gebaut, mit der er vor

einigen Tagen sich 7 m erhoben haben soll. Der Apparat hat 24 qm Tragfläche und wiegt ca. 100 kg. Der Konstrukteur hofft mit Menschenkraft fliegen zu können, will jedoch zuerst seinen Apparat mit Motorkraft betreiben.

Ueber den deutschen Militärflugapparat, der zur Zeit in Schöneberg erbaut wird, kursieren in Fachkreisen abenteuerliche Gerüchte. Die Versuche werden streng geheim gehalten. Auf den Ausgang der Versuche darf man sehr gespannt sein.

Flieger von G. Voss, Neumünster. Der Voss'sche Flieger ist ein Zweidecker, dessen obere Tragflächen entsprechend eingestellt werden können, um als Höhensteuer zu dienen. Die unteren Tragflächen reichen an der ganzen, zur Aufnahme mehrerer Personen bestimmten Gondel entlang und sind an deren Oberkanten scharnierartig befestigt. Die Vorwärtsbewegung wird durch zwei motorisch angetriebene Luftschrauben bewirkt, deren vordere gleichzeitig als Seitensteuer verwendbar ist. Zur Aufwärtsbewegung von der Stelle aus dienen zwei weitere Luftschrauben, welche zeitweilig vom Motor getrieben werden. Die Luftschrauben haben sämtlich verstellbare Flügel nach Art der bekannten Schiffsschrauben. Der Apparat, welcher in zusammengeklapptem Zustande wenig Raum einnimmt, soll sich von seinem Standort frei in die Luft erheben können.

Flieger von Leutnant Kohler. Leutnant Kohler vom 65. Infanterie-Regiment in Köln hat einen Eindecker gebaut. Kohler soll auf der Mühlheimer Heide in 14 m Höhe 4 Minuten geflogen sein. Die Versuche sollen in Kürze wiederholt werden.

Flieger von Gromann, Hamburg. Der Flugapparat ist ein Dreidecker mit 10 m Spannweite und im ganzen 6 mHöhe und 8 m Tiefe. Die Herstellungskosten belaufen sich auf 14000 Mark Das Gerippe des Apparates besteht aus Aluminium. Das Gesamtgewicht der Maschine soll nur 168 kg. betragen.

Korvettenkapitän Engelhardt, ein Schüler Wrights, hat am 29. Oktober auf dem Bornstedter Felde einen Flug von 1 Stunde 6 Minuten und 30 Sekunden ausgeführt.

Flugapparat Pause, Heidelberg. Der Apparat, welcher von der Firma Haussmann und dem Automobilfahrer Lehr in Heidelberg gebaut wurde, hat eine Länge von 14 m und eine Breite von 7 m. Die Tragfläche beträgt 50 qm. Zum Betriebe dient eine 8 Zylinder Antoinette-Motor von 24 PS, welcher 2 Propeller, die 650 Touren machen, antreibt Mit den Flugversuchen soll in den nächsten Tagen begonnen werden.

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Ausland.

Flieger Dr. Alexitsch. In Pancsova in Ungarn hat Dr. Alexitsch einen Flieger konstruiert, welcher 40 qm Tragfläche besitzt. Beim ersten Flugversuch soll der Apparat einige Meter gestiegen und dann abgestürzt sein.

Flieger von Gomes-da-Sylva. Dieser Apparat hat eine Tragfläche von 25 qm und eine Länge von 6,5 m. Das Gewicht beträgt 250 kg. Zum Betriebe dient ein 30 PS Anzani-Motor.

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Flieger Gomes-da-Sylva. Neuer Flieger von Voisin. Die Brüder Voisin bauen zur Zeit eine neue Flugmaschinentype mit vorn liegender Schraube für 2 Personen. Zum Betriebe dient ein 40 PS 4 Zylindermotor, welcher 140 kg wiegt. Höhen- und Seiten-steuerjjbefinden sich ' in dem kastenförmigen JSchwanz. Der Apparat hat bei seinen Versuchen eine sehr gute Stabilität gezeigt.

*">----- ... 9.

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Neuer Flieger Voisin. Die Bleriot-Gesellschaft baut zur Zeit für den Engländer Graham Wright einen dreisitzigen Eindecker. Dieser Eindecker wird mit einem 80 PS E. N. V. Motor ausgerüstet.

Farman hat am Mittwoch in Chalons einen Flug von 222 km in 4 Stunden 6 Minuten ausgeführt und hat somit einen neuen Weltrekord aufgestellt. Eine wahrhaft großartige Leistung.

Flieger Clerget. Dieser Eindecker besitzt 28 qm Tragfläche bei lim Spannweite. Das Gewicht ist 380 kg. Zum Betriebe dient ein 4 Zylinder Clerget-Motor von 50 PS.

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Flieger von Clerget.

Flugpreise.

50,000 Francs für einen Passagierflug von Kairo nach Suez und zurück hat das Komitee der im Januar 1910 geplanten aviatischen Doppelwoche in Kairo als ersten Preis ausgesetzt.

Briefkasten.

M. in B. Der Vortrag, welchen Bleriot vor kurzem in Budapest hielt, brachte nichts neues. Bleriot besprach den Entwickelungsgang seiner 12 Flugmaschinen mit Lichtbildern. Der Hauptteil seines Vortrages umfaßte die Schilderung seines Kanalfluges.

Offizielle Mitteilungen des Westdeutschen Vereins für Flugsegler.

Sitz Oberhausen i. Rhld.

Vorstand: Vorsitzender: Schüller, Bürgermeister a. D. Schriftführer: Heinr. Timmer, Hafenbahnmeister, Meiderich. Schatzmeister : H e u ß e r , Ingenieur. Gerätewart: Trutenau, Maschinenmeister. '. Beisitzer: RudolfHeuhn.

Mitgliederzahl 50.

Der Verein hatte bisher seine internen Flugübungen am Schlackenberge an der Duisburgerstraße abgehalten, welcher Platz ihm in der liebenswürdigsten Weise von der Gutehoffnungshütte zur Verfügung gestellt worden war. Der Verein hat auch die ihm von der Hütte gewährte Gastfreundschaft stets dankbar anerkannt. Leider hat es sich, je mehr die Versuche fortschritten, gezeigt, daß das Abfluggelände für diesen Zweck nicht geeignet, ja — bei bemannten Apparaten — wegen der am Fuße des Schlackenberges lagernden großen Schlackensteine sogar nicht ohne Gefahr zu benutzen gewesen wäre; die Behebung dieses Uebel-standes und die Planierung eines großen Teiles des Flugplatzes würde aber ganz ungewöhnlich hohe Kosten verursacht haben. Zu seinem größten Bedauern sah sich daher der Verein genötigt, ein anderes Abfluggelände ausfindig zu machen; von vornherein war es ihm dabei klar, daß er wohl dann Oberhausen den Rücken

kehren müsse, da einmal geeignetes Terrain hier schwer zu finden war, andererseits aber auch irgendeine Unterstützung der Stadtverwaltung, der man von der Gründung des Vereins seinerzeit Mitteilung gemacht hatte, nicht zu erhoffen war. Der Verein konnte sich nur sehr schwer zu dem Schritte entschließen, das städtische Terrain zu verlassen, hatte man doch die Gründung absichtlich deswegen in Oberhausen vorgenommen, um, falls die Versuche weiter fortgeschritten und gewisse Erfolge erzielt sein würden, durch die dann vor einer größeren Oeffentlichkeit stattfindenden Flüge Oberhausen zu einem gewissen Anziehungspunkte zu machen. In Holten, und zwar im Bruch, fand man nun ein äußerst günstiges Terrain, und die Gemeinde war sofort bereit, die Bestrebungen des Vereins in der weitgehendsten Weise zu fördern. Sie stellte nicht nur den nötigen Platz dem Verein vollständig kostenlos zur Verfügung, sondern bewilligte auch in ihrer vorgestern abgehaltenen Gemeinderatssitzung 500 Mark zum Bau eines Ahflugturmes, der nun alsbald errichtet werden soll. Er wird äußerst zweckentsprechend angelegt, außerdem wird wahrscheinlich auch ein Raum zur Unterbringung der Apparate usw. gebaut. Damit hat der Verein Oberhausen endgültig verlassen, sein Vereinslokal in der Reichskrone behält er aber bei.

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Offizielle Mitteilungen des Schlesischen Flugsport=Club.

Sitz Breslau.

Vorstand:

1. Vorsitzender: Rechtsanwalt Dr. Bohn, Tauentzienstr. 16. (Fernsprecher 3071.)

2. „ Freiherr von Kloch, Neue Schweidnitzerstr. 14. (Fernspr. 2701.) Schriftführer: Ingenieur Stoeckicht, Gartenstraße 37. (Fernsprecher 10972.) Bibliothekar : Assistenzarzt Dr. Pfeifer, Gräbschnerstraße 96. Fernsprecher 2753 Flugwart: Ingenieur Walzel, Bunzlau.

Schatzmeister: Kaufmann Kutsch, Ohlauufer 10. (Fernsprecher 10993.) Gleitflug: Herr Fritz Heidenreich, Freiburgerstraße 21. (Fernsprecher 2888.) Maschinenflug: Dr. van dem Borne, Krietern, Erdbebenwarte. Fernspr. 9209.)

Beisitzer:

v. Sallwürk, Gartenstraße 89. (Fernsprecher 2988.)

Kaufmann Schlobach, Augustastraße 9. (Fernsprecher 2777.)

Dr. Ing. Heller, Kronprinzenstraße 41. (Fernsprecher 2454).

Fabrikbesitzer Nicoleier, Kaiser Wilhelmstr. 14. (Fernsprecher 9280.) Die Sitzungen finden am Freitae alle zwei Wochen im Theater-Restaurant

Theaterstraße statt

Vor einem zahlreich erschienenen Publikum hielt Rechtsanwalt Dr. Bohn aus Breslau den zweiten Vortrag des Vereins. Der Redner sprach über Luftrecht. Neue Zeiten bedingen neue Gesetze. Der Verkehr, der täglich neue Erscheinungsformen herausbildet,- verlangt auch neue Gesetze, unter denen er sich bewegen kann. Die Gesetze sollen aber nicht ein Schlagbaum für den Verkehr werden, sondern der Freiheit des Verkehrs eine Gasse bahnen. Das Flugrecht, das die Zukunft schaffen soll, soll daher die Durchschiffung des Luftraumes, mit Ballons, Luftkreuzern, und Flugmaschinen erleichtern und nicht erschweren. Ein solches Recht bildet man nicht vom grünen Tisch aus, sondern man soll es der Zukunft Uberlassen, es sich selbst zu bilden. Immerhin müssen wir schon jetzt über die Grundzüge dieses Rechtes uns einig zu werden suchen. Rechtsanwalt Dr. Bohn tritt für die Freiheit der Luft ein, d. h. das Luftschiff soll nicht der Souveränität des Staates unterliegen, über den es sich bewegt Damit es aber nicht gesetzlos durch den Raum f iegt, soll es ähnlich wie im Seerecht als Teil des Heimatsstaates gelten, solange es sich in der Luft befindet. Wenn zum Beispiel ein Franzose im Luftschiff einen anderen tötet, so soll er französischem Recht unterstehen. Wollte man jedes Luftschiff nach dem Recht

Seile 670 „FLUGSPORT"

des Staates beurteilen, der unter ihm iiegt, so würden die Gesetze mit der Schnelligkeit des Windes wechseln. Das ist ein unleidlicher Zustand, der praktisch nicht zu halten wäre. Anders wenn das Luftschiff in Berührung mit der Erde tritt und wenn die Wirkung des Luftschiffes sich auf das darunter liegende Land erstreckt, z. B. falls durch Ballastauswurf Tiere getötet werden, ferner der Schaden, der dem Jagdpächter erwächst und ähnliches mehr. In diesem Falle soll das Gesetz des Landes gelten, auf das sich die Wirkung erstreckt. Denn es ist nicht angängig, daß ein Staat Personen deswegen nach ihrem Gesetz behandelt, weil sie zufällig durch die Luft auf den Staat einwirken. Für das deutsche Recht wird die Vorschrift des § 905 d. B. G.-B. zunächst in Frage kommen. Danach erstreckt sich das Eigentumsrecht an Grundstücken auch in den Luftraum. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat. Der Schaden, den Luftschiffer bei ihrer Landung verursachen, wird also nach deutschem Recht zu beurteilen sein. Bei der Anriclitung dieses Schadens wird man zunächst zu prüfen haben, ob ein Verschulden der Luftschiffer vorliegt. Darüber hinaus wird man aber, ähnlich wie in dem neuen Automobilgesetze, auch ohne Verschulden, eine Haftpflicht festsetzen müssen. Wird bei dem Betrieb eines Luftschiffes ein Schaden verursacht, so ist der Halter des Luftschiffes verpflichtet, dem Verletzten ohne Verschulden den Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird. Ferner wird man gewisse Verkehrsvorschriften erlassen müssen. Das Fahrzeug muß staatlich zugelassen sein und der Führer muß den Befähigungsnachweis erbringen.' DerRedner führte aus, daß das alles nurGrund-züge seien, da von festen Normen noch nicht die Rede sein könne. Auch die juristische Zukunft liegt in dieser Richtung in der Luft. Es sei aber Pflicht jedes Gebildeten, eine neue Kulturerscheinung nicht an sich vorüberziehen zu lassen, sondern Stellung zu nehmen.

An den Vortrag, der von dem Zuhörerkreis mit regem Beifall aufgenommen wurde, schloß sich eine längere Diskussion.

Der Schlesische Flugsport-Klub hat in den letzten Wochen einen immer größeren Aufschwung genommen und wird demnächst ein Modell-Fliegen und Flugversuche veranstalten. Motore und Flugmaschinen sind bereits angeschafft und neuerdings Verhandlungen mit amerikanischen und französischen Fliegern angeknüpft worden. Da der Klub ganz selbstlos im nationalen und wissenschaftlichen Interesse arbeitet, ist es erwünscht, daß an seinen Arbeiten recht viele Interessenten teilnehmen.

Offizielle Mitteilungen des Vereins Deutscher Flugtechniker.

Sitz Berlin.

Ehrenmitglieder: Guslav Lilienthal, Groß Lichterfdde. Orville Wright, Dayton Wilbur Wright, Dayton.

1. -Vorsitzender: Dr. Fritz Huth, Rixdoif.

2. Vorsitzender: Major von Parseval, Charloltenburi;. Schriftführer :■ O Schmal, Berlin S. W. 43, Fr edriclistr. 218. Syndikus: Rechtsanwalt Eschenbach, Berlin.

Beisitzer: Diplom-Ingenieur H Dorner, Berlin. Ingenieur J. Grade, Magdeburg. Ober-Ingenieur H. Rosenstein, Elbing. Ingenieur Max Schüler, Chemnitz. Vorsitzender der technischen Kommission] Ober-Ingenieur Zix, Berlin.

No. 23

Flugzeuge und Luftfahrt im Deutschen Kaiserreich sowie Fliegerclubs und Luftsportvereine im Jahr 1909

No 23

„FLUGSPORT."

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Vorsitzender der Platzkornmission: Kap tan z. S a. D. von Pustau. Den Bemühungen des Vorstandes ist es gelungen, für die Mitglieder des Vereins, die in Berlin weilen, die Benutzung des Flugfeldes „Mars" bei Berlin zu sehr günstigen Bedingungen zu vereinbaren. Die Herren, die die Absicht haben, auf dem Flugfelde „Mars" Versuche zu unternehmen, werden gebeten, dem Vorstand hiervon Mitteilung zu machen.

Ungezwungene Zusammenkünfte. Wir bringen zur gefl. Kenntnis, daß für unsere Mitglieder in Berlin jeden Freitag ein Stammtisch im Restaurant Heidelberger belegt ist. Wir bitten unsere Mitglieder von dieser Gelegenheit zur ungezwungenen Aussprache Gebrauch zu machen.

In der Sitzung v 25. Okt. sprach Hans Grade im Verein Deutscher Flugtechniker über die Entwicklung seines Fliegers und seiner Fliegerkunst. Die Ankündigung dieses Vortrages hatte den Saal bis zum letzten Platz gefüllt und man bemerkte von bekannten Luftschiffern die Herren de Beauclair und Dr. Bendemann, von Flugtechnikern Schubert, Dorner, Grawert und Gustav Lilienthal. Letzterer sprach, da sich Grade etwas verspätete über den ersten Flügelflieger, den er mit seinem verstorbenen Bruder baute, und dann erteilte der Vorsitzende, Dr. Fritz Huth, Ingenieur Grade das Wort.

Es ist gerade ein Jahr her, so begann der Vortragende, seitdem ihm der erste Flug gelang, Nach halbjähriger Arbeit erzielte er den ersten Flug mit einem Drei-decker, der jetzt auseinander genommen in Bork steht. Damals war Grade Einjähriger bei den Pionieren in Magdeburg und bekam von seinem Vorgesetzten die Erlaubnis, nachmittags an einem Flugapparat zu arbeiten. Mit einem Freund begann er sofort das Werk, kaufte Bambusstangen und arbeitete nun täglich von 1 Uhr mittags bis 12 Uhr nachts. In 4 5 Monaten war der Apparat hergestellt inklusive des selbstgefertigten Motors. Ende September 1908 begannen sie mit den ersten Versucheu. Dabei wurde die Schraube verbogen, die gegen ein auf dem Platz versteckt liegendes Fahrrad gegenfuhr. Tiefbetrübt zogen sie zum Pionieriibungsplatz jenseits der Elbe zurück und suchten einen anderen Flugplatz.

Die Schwierigkeiten bestanden nicht nur darin, den Motor im Fahren zu beherrschen, sondern auch in dem neuen Medium der Luft, in welchem der Apparat nach allen Seiten kippt. Auf dem neuen Platz befand sich eine tiefe Mulde, die Grade mit dem wiederhergestellten Apparat bei 100—150 Meter Anlauf zu überspringen versuchte. Zunächsf fuhr er in die Mulde hinein und auf der andern Seite wieder heraus. Dann gelangen kleine Sprünge von 10 Meter in der Mulde, auf deren Boden sich die Beobachter hinlegen mußten, um sie Uberhaupt zu bemerken. Bei einem letzten Versuch senkte sich der hintere Teil des Apparates beim Ueberspringen in die Mulde hinein und stieg vorn auf 8 Meter Höhe, um gleich darauf zur Ende niederzustürzen. Die Schraube und die rechte Seite des Apparats waren kaput. Doch blieb der Fahrer ganz. Das war sein erster Flug.

Der Dreideck er war acht Meter lang, einen Meter tief, hatte also 25 Quadratmeter Tragareal. Der Apparat hatte vorn zwei größere, hinten zwei kleinere Laufräder. Der Zweitakt-Motor von 36 PS leistete 1800 Umdrehungen. Das Gewicht des Apparates stellte sich auf 150 Kilo ohne Benzin und Gel. Die Steuerungsorgane wurden durch zwei Steuerräder und einen Hebel betätigt. Die Form der Tragflächen entsprach dem Anfangsstadium. Grade erkannte, daß mehrere Aenderungen notwendig seien, besonders an der zu komplizierten Steuerung. Sie wurde vereinfacht, die Schraube verbessert, die Flächen vergrößert. Nach 3 bis 4 Wochen begannen neue Versuche. Der Apparat erhob sich nun auf ebenen Boden in Sprüngen von 200, dann 400 Metern. So glückten gegen 20 Flüge mit mehr oder weniger Effekt und Havarien

In dem harten Winter war es in dem Schuppen sehr kalt, doch wurde fortgearbeitet. Die Gesamttragfläche wurde auf 50 Quadratmeter erhöht, wodurch die Belastung auf 5 Kilo pro Quadratmeter sank. Im Frühjahr 1909 gelangen Flüge bis zu 700 Metern. Als Flugplatz diente der Krakauer Anger, der Exerzierplatz der Magdeburger Garnison. Er ließ weitere Geradeaus-Flüge nicht zu. Häufig erzielte Grade an einem Nachmittag 6 bis 7 Flüge über den ganzen Platz. Doch bemerkte er, daß sich in die Konstruktion ein Fehler eingeschlichen hatte: der Schwerpunkt hatte sich im Verhältnis zu den Tragflächen nach vorne verschoben, wodurch die Steuerung sehr erschwert wurde. Die Flug-Geschwindigkeit betrug bis 60 Kilometer und der Apparat lag horizontal in der Luft, doch war es

schwierig ihn zum Landen zu bringen. Die Maschine kippte vorne hoch, je mehr die Tourenzahl verringert wurde und war der Motor ganz abgestellt, so bäumte sie sich auf und stürzte.

Grade sah ein, daß er so nicht weiter komme. Er beschloß, den Typ zn wechseln, Einfachheit ist das Leben und der Grundgedanke jeder erfolgreicheu Baukonstruktton. An dem Dreidecker waren so viel Drähte, daß er einem Turm für drahtlose Telegraphie ähnlich sah. Im Juni dieses Jahres begann er daher einen Eindecker zu bauen, was ihm auf Grund alter Erfahrungen verhältnismäßig leicht wurde. In 2'/, Monaten war der Apparat in seiner Magdeburger, gut ausgestatteten Baubude fertiggestellt. Da der Krakauer Anger weitergehenden Ansprüchen nicht genügte, auch teilweise uneben und vom Publikum belagert war, beschloß er, nach Berlin zu gehen, wo er in Bork einen besseren Platz fand.

Der neue Apparat ist ein Eindecker von 10,20 Meter Breite und hat 29 Quadratmeter Tragfläche. Er wiegt 120 Kilo. Der neue Motor, ebenfalls Zweitakt, von 4 Zylindern und diesmal mit Magnetzündung wiegt ohne Nebenapparat 36 Kilo bei 25 PS indiziert, die vollkommen ausreichen. Die Versuche wurden energisch, aber vorsichtig aufgenommen, denn aller Uebermut kostet Geld und Zeit Am ersten Tag fuhr er nur spazieren, um sich zu orientieren, am zweiten machte er Flüge von 50 - 400 Meter Länge und übte besonders Anfahren und Landen. Schließlich überflog er die ganze 1200 Meter betragende Länge des Platzes.

Es war gegen Abend, als ihm das zum erstenmal gelang. Nach 80 Metern erhob sich der Apparat, strich aber noch 50 Meter durch das Heidekraut, dann stieg er weiter. Es ist ein erhebender Augenblick, wenn die Schwierigkeiten des Bodens aufhören. Da er gleich volle Tourenzahl eingestellt hatte, erreichte er eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 80 Kilometern, was er von seinem Tachometer ablesen konnte. Von 15 Meter Höhe ging er schließlich herunter. Beim Fluge hat man die Empfindung, als stehe die Erde still und man würde auch glauben selbst still zu stehen, wenn der Luftzug nicht eines anderen belehrte. Kommt man herunter, so beginnt die Erde plötzlich wieder zu laufen und es gehört einige Geschicklichkeit dazu, glatt zu landen.

Grade begann dann mit Kurvenfahrten, erst ein Stückchen, dann bis zu 90 Grad, dann halber Kreis. Auch negative Versuche wurden angestellt, wobei der Apparat einmal auf kleinen Fichten landete. Dann wurden ganze Kreise beschrieben, der ganze Platz ausgeflogen und schließlich an die Lanzpreis-Be dingungen gegangen. Die Generalprobe am 25. September in Bork behagte ihm nicht recht, und er hatte die Ahnung es würde was passieren. Er hatte dabei etwa einen Kilometer Uber Wald zu fliegen, dessen Bäume bis zu 15 m hoch waren. Nach kurzem Anlauf stieg er steil auf und umkreiste den ersten Posten. Der vordere Teil des Rahmens vibrierte, was andeutete, daß die Schraube nicht ganz intakt war, an der er am Abend vorher einen kleinen Riß autogen verschweißt hatte. Er hoffte gleichwohl durchzukommen, als es plötzlich über ihm einen Mordskrach gab und er den Motor sofort abstellte und mit dem Apparat gleitend niederging. Den angeknackten Schraubenflügel sah er dabei hinten wegfliegen, der andere baumelte vor ihm. Er hatte noch 300 m Wald vor sich und kam 100 m vom Rand, auf die Fichten niede , die teils nachgaben, teils nicht, so daß der Rahmen zerbrach und das Ganze wie ein Chapeau claque zusammenknickte. Er selbst kam ohne Schaden davon, und da der Unfall schließlich kleiner war, als er anfangs aussah, konnten schon nach 14 Tagen wieder die weiteren Versuche aufgenommen werden. Der Apparat flog jetzt sogar besser als vorher nnd leistete einen längsten Flug von fast 15 Minuten, mit dem er sich von Bork verabschiedete, um nach Johannistal überzusiedeln.

Grade.ist niedrig a la Farman und hoch a la Rougier geflogen, bei Windstille und bei- Wind bis zu zehn Meter. Er fliegt am liebsten bei mittleren Windstärken von 5 bis 6 Meter, da dann ein ganz anderes Leben im Apparat ist, als bei schwächerer Luftbewegung und die Schraube in Bestätigung Lilienthalscher Versuche dann auch einen besseren Nutzeffekt hat. Natürlich muß man ohne Wind anfangen. Der Gedanke des Umkippens ist ihm nie gekommen. Bei genügender Platzbreite bietet auch ein Wind von zehn Meter keine Gefahr. Grade hat auch mit dem Johannisthaler Flugplatz sich Schritt für Schritt vertraut gemacht und gab zum Schluß der Hoffnung Ausdruck, daß das Publikum im kommenden Jahre auch von den deutschen Fliegern einer besseren Eindruck bekommen werde. Er selber wird sich zu diesem Zweck anstrengen.

Der oft humoristisch gefärbte Vortrag wurde von der Versammlung stürmisch applaudiert.





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